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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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mir vertrauen, den nächsten Tag noch erleben. Meine Grafschaft ist nicht groß, Pater Tobias - aber es sind alles in allem doch mehr als zweitausend Seelen, die mir unterstehen. Und ich will nicht, daß sie verlorengehen - ganz gleich, ob an den Teufel oder das Chaos.«
    »Ihr wollt nur Ruhe und Ordnung, wie?« fragte Tobias mit bitterer Stimme. »Deshalb habt Ihr mich gerufen.«
    »Ich habe Euch nicht gerufen«, korrigierte ihn Theowulf.
    »Und ginge es nach mir, würde ich jeden auspeitschen, der das Wort Hexerei auch nur in den Mund nimmt. Aber Ihr seid nun einmal hier. Die Dinge sind ins Rollen gekommen, und ich muß sehen, daß ich das Beste daraus mache. In gewissem Sinne habt Ihr recht: Ich will nichts als Ruhe und Ordnung auf meinem Land. Und mir ist jedes Mittel recht, sie zu erhalten.« Er zögerte einen Moment.
    »Ich mache Euch einen Vorschlag, Tobias«, sagte er dann.
    »Und bitte entscheidet nicht gleich darüber, sondern denkt nach. Einen Tag, zwei - so lange Ihr braucht.«
    »Und welchen?« fragte Tobias mißtrauisch.
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    »Es war falsch von mir, Euch überreden zu wollen, Euer Amt zu mißbrauchen«, sagte Theowulf. »Ich sehe das ein.
    Aber Eure Reaktion beweist mir, daß ich mich nicht in Euch getäuscht habe: Ihr seid genau der aufrechte Mann, für den ich Euch gehalten habe. Aber glaubt mir, wenn ich sage, daß das Volk ein Opfer verlangt. Deshalb denkt über Folgendes nach: ich hatte den Prozeß gegen Katrin für den kommenden Sonntag angesetzt, aber ich sehe ein, daß Ihr mehr Zeit braucht. Ich gebe Euch noch eine Woche mehr. In dieser Zeit gewähre ich Euch jede Hilfe, die ihr verlangt. Keine Frage wird Euch unbeantwortet bleiben und keine Tür verschlossen. Ihr habt also Zeit genug, Euch Eure eigene Meinung zu bilden. Aber am Sonntag in acht Tagen werdet Ihr über die Hexe zu Gericht sitzen. Und Ihr werdet sie schuldig sprechen und zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilen, ganz gleich, zu welchem Ergebnis Ihr wirklich gekommen seid.«
    Er hob rasch die Hand, als Tobias ihn schon wieder unter-brechen wollte, und fuhr mit leicht erhobener Stimme fort:
    »Glaubt Ihr, daß sie eine Hexe ist, so ist es ohnehin Eure Pflicht, sie zu verbrennen. Glaubt Ihr aber, daß sie unschuldig ist, so werden wir es so arrangieren, daß es nur so aussieht, als würde sie verbrannt. Ich gebe Euch mein Wort, daß ich dafür sorgen werde, daß sie in aller Heimlichkeit fortgebracht wird. Wohin immer Ihr wollt - in die Freiheit oder an einen Ort, an dem sie sich für Verkolts Tod zu verantworten hat.«
    Das war ein ungeheuerlicher Vorschlag. Und doch widersprach Tobias nicht sofort. Theowulfs Plan hatte etwas ungemein Verlockendes - und sei es nur der Umstand, sich so aus der Verantwortung zu schleichen, die der Graf ihm gegen seinen Willen aufgebürdet hatte.
    Und Katrins Leben zu retten . . .
    »Sagt jetzt nichts«, sagte Theowulf. »Denkt darüber nach, ich bitte Euch. Ihr könnt mir Eure Entscheidung heute abend mitteilen, wenn ich von der Jagd zurückkehre, oder morgen früh. Ich weiß, was Ihr empfinden müßt, aber glaubt mir -
    es lohnt sich, zumindest darüber nachzudenken.«
    »Das werde ich tun«, versprach Tobias.
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8
    Der Weg zurück zu Theowulfs Burg verlief sehr schweigsam, wofür Tobias im stillen dankbar war. Er wollte jetzt nicht reden - weder mit dem Grafen noch mit sonst jemandem.
    Im Grunde wollte er nicht einmal über Theowulfs Vorschlag nachdenken. Was natürlich nicht möglich war, denn allein der feste Vorsatz, an etwas ganz Bestimmtes nicht zu denken, war der beste Weg, ganz bestimmt daran zu denken.
    Und Tobias' Gedanken kreisten ununterbrochen um Theowulfs Vorschlag.
    So ungeheuerlich er war, enthielt er doch zugleich eine teuflische Verlockung, die er bereits jetzt zu spüren begann.
    Und die schlimmer werden würde, denn er ahnte, daß er sie mit jedem Argument, das er dagegen fand, in Wahrheit nur stärken würde.
    Vielleicht hatte er den Kampf jetzt schon verloren.
    Es wäre seine Pflicht gewesen, dieses Ansinnen sofort und in aller Schärfe zurückzuweisen. Allein daß er das nicht getan hatte, offenbarte schon seine Schwäche. Und daß Theowulf darauf bestand, seine Antwort erst später zu hören - nun, das war zweifellos wieder einer seiner kleinen klugen Schachzüge.
    Alles wäre so einfach, wäre es statt Katrin eine andere Frau gewesen, über die er richten sollte. Gott, dachte er wieder, welche Prüfung hast du mir auferlegt, mich ausgerechnet hierher zu schicken?
    Als

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