Wolfgang Hohlbein -
mittlerweile umkreist und war wieder stehengeblieben. Er sah Tobias an, aber seine Fingerspitzen glitten hierhin und dorthin, berührten schließlich das Blatt, auf dem er sich Notizen gemacht hatte und das Tobias vorhin gelesen hatte, spielte einen Moment damit und drehte es herum. Für einen weniger aufmerksamen Beobachter hätte die Bewegung wie zufällig gewirkt; so, als hätte auch sie keinen anderen Zweck, als seine Finger beschäftigt zu halten. Aber Tobias hatte auch gelernt, nicht nur auf die Sprache, sondern auch auf die Gesten der Menschen zu achten.
»Ich habe versucht herauszufinden, was damit nicht
stimmt«, gestand Theowulf. »Aber es ist mir nicht gelungen.«
»Dann glaubt Ihr also doch nicht an Hexerei?« fragte Tobias. »Ich meine - wenn Ihr versucht, das Problem mit wissenschaftlichen Mitteln zu lösen, könnt Ihr kaum der Meinung sein, es sei auf magischem Wege entstanden . . .«
Theowulf lächelte. Aber er ging nicht weiter auf diese 206
Worte ein, sondern schüttelte nur den Kopf und trat mit plötzlich raschen, kraftvollen Schritten wieder um den Tisch herum, um zwei Schritte vor Tobias stehenzubleiben.
»Eine interessante Frage«, sagte er. »Aber sie ist schneller gestellt als beantwortet, Pater. Laßt uns heute abend bei einem guten Schluck darüber reden. Oder morgen.«
»Ich glaube nicht, daß ich bleiben werde«, antwortete Tobias. »Ich möchte so bald wie möglich nach Buchenfeld reiten.«
»Jetzt?« Theowulf erschrak.
»Warum nicht jetzt?« gab Tobias zurück. »Der Weg ist nicht zu weit. Das Pferd, das Temser mir gegeben hat, kann es in zwei Stunden schaffen.«
»Das kommt überhaupt nicht in Frage!« sagte der Graf entschieden. »Ihr seid mein Gast, für heute abend und morgen bis zum Mittagsmahl. Ich bestehe darauf. Oder wollt Ihr mich beleidigen?«
»Keineswegs«, antwortete Tobias kühl. »Aber ich habe zu tun.«
»Die eine Nacht mehr oder weniger wird daran auch
nichts mehr ändern«, erwiderte Theowulf barsch. »Glaubt mir, Tobias - Der Weg zurück nach Buchenfeld ist gefährlich, vor allem nachts. Es gibt wilde Tiere, und Ihr könntet Euch verirren.«
»Dann begleite ich Euch ein Stück«, sagte Tobias. »Ihr wolltet doch mit Eurer Jagdgesellschaft aufbrechen.«
»Wir reiten in die entgegengesetzte Richtung«, antwortete Theowulf so rasch und in einem leicht triumphierenden Ton, als hätte er genau diesen Vorschlag erwartet. »Und . . .« Er zögerte, lächelte dann beinahe jungenhaft, ». . . wir werden sehr schnell reiten.«
»Aber ich . . .«
»Dann erweist mir wenigstens die Ehre zu bleiben«, unterbrach ihn Theowulf. »Es wird ohnehin schon dunkel.
Außerdem haben wir noch eine Menge interessanter Dinge zu besprechen. Und«, fügte er betont hinzu, »Ihr seid mir noch die Antwort auf meine Frage schuldig.«
Er sah Tobias einen Moment lang an, dann drehte er sich 207
mit einer plötzlichen Bewegung herum, trat an eines der Regale heran und nahm zwei Zinnbecher zur Hand. Ohne ein Wort zu sagen, griff er nach einem Krug, füllte etwas von seinem Inhalt in die beiden Becher und reichte einen davon an Tobias weiter.
Tobias ergriff ihn, zögerte aber, selbst als Theowulf ihm auffordernd mit seinem Becher zuwinkte.
»Trinkt einen Schluck, Pater«, sagte Theowulf auffordernd. Er lachte. »Oder habt Ihr Angst, daß ich Euch vergifte?« Er lachte erneut, setzte seinen Becher an und leerte ihn mit einem einzigen Zug. Tobias blieb ernst, aber nach einem kurzen Zögern trank auch er, und er stellte fest, daß es ein wirklich ausgezeichneter Wein war.
»Ich lasse Euch ein Zimmer mit einem bequemen Bett
zuweisen«, sagte Theowulf, nachdem er seinen Becher wieder zurückgestellt hatte. »Ihr könnt Euch ausruhen, bis ich von der Jagd zurück bin. Es wird nicht sehr lange dauern.
Zwei Stunden, vielleicht drei. Und danach gebe ich Euch zwei Männer mit, die Euch nach Buchenfeld eskortieren, wenn Ihr unbedingt noch in der Nacht aufbrechen wollt.«
Pater Tobias widersprach nicht. Für seinen Geschmack hatte Theowulf zu schnell nachgegeben - er benahm sich ohnedies recht sonderbar.
»Was also bezweckt Ihr?« fragte er noch einmal und deutete auf die Utensilien. »Ihr versucht doch nicht etwa, Gold zu machen?«
Theowulfs Blick wurde eisig, aber er sagte nichts, sondern drehte sich herum und ging zur Tür, wo er abermals stehenblieb.
Tobias verstand die Aufforderung. Er folgte dem Grafen, duckte sich an ihm vorbei unter dem niedrigen Türsturz hindurch und blieb
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