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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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draußen auf dem Gang stehen.
    »Ich interessiere mich für die Wissenschaften«, sagte Theowulf, nachdem er ihm gefolgt war und sie nebeneinander zur Treppe zurückgingen. »Genau wie Ihr, Pater. Aber zuerst war es nicht mehr als ein Zeitvertreib: Die Abende sind lang und eintönig hier draußen.«
    »Und was ist es jetzt?« fragte Tobias.
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    Theowulf schien um die Antwort verlegen zu sein, denn er zuckte mit den Achseln und schwieg eine ganze Weile.
    »Ich weiß es nicht«, gestand er schließlich. »Vielleicht nur eine Spielerei.«
    »Aber eine gefährliche«, fügte Tobias hinzu, als der Graf nicht weitersprach.
    Theowulf sah ihn fragend an, und Tobias fügte erklä-
    rend hinzu: »In einer Gegend, in der die Leute von Hexerei und schwarzer Magie sprechen, kann es auch für einen Alchimisten gefährlich werden. Selbst wenn er ein Graf ist.«
    Zu seiner Verwunderung lächelte Theowulf. »Wollt Ihr mir drohen, Pater?« fragte er.
    Tobias schüttelte den Kopf und zwang sich zu einem dünnen, nicht besonders humorvollen Lächeln. »Ihr wißt, wie die Leute sind, Theowulf«, sagte er. »Ihr braucht ihnen nur einen Anlaß zu geben, und sie schwören Stein und Bein, sie hätten den Teufel persönlich auf einem Besenstiel am Mond vorbeireiten gesehen.«
    »Und da ist ein verrückter Graf, der im Keller seines Schlosses Zaubertränke zusammenbraut, gerade der richtige, meint Ihr?« Theowulf lachte laut auf. »Vielleicht habt Ihr sogar recht. Aber außer Euch und mir gibt es nur zwei Leute auf diesem Schloß, die um die Existenz dieses Raumes wissen. Und so soll es auch bleiben.«
    »Ich werde niemandem davon erzählen«, sagte Tobias.
    Theowulf nickte. »Ich weiß.«
    »Seid Ihr da so sicher?«
    Theowulf nickte abermals und sah ihn an. »Völlig«, antwortete er. »Ich glaube, ich kenne Euch ganz gut, Pater. Wir sind vielleicht nicht immer einer Meinung, aber ich weiß um Eure Gerechtigkeit.«
    Sie gingen an der Kammer vorüber, in der Tobias die letzten Stunden im Gebet verbracht hatte, und Theowulf blieb stehen, runzelte die Stirn und sah abwechselnd ihn und die geschlossene Tür an, und für einen Moment hatte Tobias das unheimliche Gefühl, der Graf wisse ganz genau, was sich darin abgespielt hatte.
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    Aber dann verscheuchte der Mönch diesen unsinnigen
    Gedanken und ging mit raschen Schritten weiter.
    »Ihr versprecht mir, hierzubleiben und auf mich zu warten«, sagte Theowulf, als sie die große Halle mit dem Kamin und der Tafel erreicht hatten.
    Tobias antwortete nicht, aber Theowulf schien sein
    Schweigen als Zustimmung zu deuten, denn er lächelte plötzlich zufrieden, wies mit der linken Hand auf die große Tafel und mit der rechten Hand auf das Bücherregal neben dem Kamin und sagte: »Nehmt Platz. Wenn Ihr irgend etwas braucht, dann ruft einen der Diener. Sie werden jeden Eurer Wünsche erfüllen. Ansonsten, denke ich, werdet Ihr genü-
    gend Bücher finden, um Euch die nächsten zwei oder drei Stunden zu vertreiben. Ich verspreche, so schnell wie möglich zurück zu sein.«
    Tobias antwortete auch jetzt nicht. Er war nach wie vor entschlossen, die Burg zu verlassen und unverzüglich nach Buchenfeld zurückzukehren, aber es schien ihm müßig, noch einmal darüber zu reden. Überhaupt fühlte er sich matt; seine Glieder waren schwer, und als er sich in den gro-
    ßen Lehnstuhl am Ende der Tafel sinken ließ, der eigentlich dem Grafen vorbehalten war, da tat er es mit einem Gefühl der Erleichterung, als hätte er eine Woche lang nicht mehr geschlafen. Er wollte nur für einen Moment die Augen schließen, aber es überstieg fast seine Kräfte, die Lider wieder zu heben. Und als er es tat, schien sich der Raum für einen Moment um ihn zu drehen.
    Er hörte, daß Theowulf irgend etwas sagte, um sich zu verabschieden, aber er hatte nicht einmal mehr die Kraft, darauf zu antworten, sondern nickte nur und schloß erneut die Augen.
    Er mußte wohl auf der Stelle eingeschlafen sein, denn das nächste, was er bewußt wahrnahm, war Lärm, der durch eines der Fenster vom Hof hereindrang.
    Mühsam, als wogen sie plötzlich Zentner, hob er die Lider und sah sich um. Er war allein. Auf der großen Tafel, die vorhin noch leer gewesen war, standen jetzt ein einfaches, kaltes Mahl und ein Leuchter, in dem ein halbes Dutzend 210
    Kerzen brannten. In seinem Mund war ein übler Geschmack und zwischen seinen Schläfen ein ganz leichtes Schwindelgefühl. Als er versuchte, sich in die Höhe zu stemmen, gelang es ihm nicht auf

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