Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
Vom Netzwerk:
davon überzeugt hatte, daß er in Sicherheit war, würde er zu den Bauern gehen und darum bitten, bei ihnen zu übernachten. Aus irgendeinem Grunde fühlte er sich auf diesem Hof sehr viel sicherer als in Theowulfs finsterem, kalten Gemäuer.
    Aber seine Hoffnungen wurden enttäuscht.
    Als er sich dem Gehöft näherte, sah er, daß hinter keinem einzigen der Fenster noch Licht brannte. Die Häuser lagen da wie schwarze Felsen in der Nacht. Nirgends rührte sich etwas. Nicht einmal der Laut eines Tieres war zu hören.
    Tobias hätte zumindest einen Hund erwartet, der ihm kläffend entgegensprang, aber auf dem großen Geviert regte sich absolut nichts, als das Pferd sich dem Stall näherte.
    Kurz davor hielt er an, kletterte umständlich von seinem Rücken und sah in den Himmel hinauf.
    Es war beinahe Mitternacht. Er kam also gerade noch rechtzeitig zu seiner Verabredung mit Derwalt.
    215
    Langsam ging er auf die halb fertiggestellte Scheune zu.
    Seine Schritte erzeugten langsam verhallende Echos, und als das Pferd einmal aufschnaubte, zuckte er unwillkürlich zusammen. Erneut fiel ihm auf, wie unheimlich diese Stille war, fast, als wäre alles Leben von diesem Hof geflüchtet.
    Er verscheuchte diesen unsinnigen Gedanken und betrat die Scheune. Sie war leer. Im bleichen Licht des Mondes erkannte er liegengelassenes Werkzeug, über das er beinahe gestolpert wäre, und sauber aufgestapelte Lehmziegel, mit denen die Arbeit am nächsten Tag fortgesetzt werden sollte.
    Derwalt war noch nicht gekommen.
    Pater Tobias blieb einen Moment unentschlossen unter der Tür stehen, sah sich in dem großen, dunklen, völlig leeren Raum um und setzte sich schließlich unweit des Eingangs auf einen Stapel gehobelter Holzbalken, um zu warten.
    Derwalt kam nicht.
    Tobias wartete eine Viertelstunde, eine halbe, schließlich eine ganze, aber das einzige Leben, das er in dieser Zeit sah, war ein Nachtvogel, der sich für einen Moment auf den Sparren des halbfertigen Daches niederließ und dann wieder davonflatterte. Der Zimmermann kam nicht.
    Tobias war enttäuscht und beunruhigt zugleich. Er ahnte, daß Derwalt ihre Verabredung nicht leichtfertig vergessen hatte, sondern aus irgendeinem Grund nicht hatte kommen können.
    Der neue Tag war schon mehr als eine Stunde alt, als Tobias sich endlich eingestand, daß ein weiteres Warten keinen Sinn mehr haben würde. Er überlegte, zum Haus hinüberzugehen und den Bauern zu wecken, verwarf diesen Gedanken dann aber. Er hätte zu viele Fragen beantworten müssen, um sein Auftauchen mitten in der Nacht zu erklären.
    Er konnte ebensogut noch eine weitere Stunde reiten und nach Buchenfeld zurückkehren. So wandte er sich mit einem enttäuschten Seufzer zum Stall, um das Pferd zu holen.
    Im Innern war es vollkommen dunkel, aber er fand das Tier trotzdem auf Anhieb - denn es war das einzige Pferd, das hier stand.
    216
    Überrascht hielt Tobias inne und betrachtete die lange Reihe leerer Boxen vor der gegenüberliegenden Wand. Der Stall war für mindestens ein Dutzend Tiere angelegt worden, aber jetzt stand nur sein Pferd in seinen Verschlag, das den Kopf halb in den Hafersack versenkt hatte, der vor ihm hing. Und plötzlich wußte er auch, warum es auf diesem Hof so unheimlich still war. Ganz einfach, weil er tatsächlich der einzige Mensch hier war. Sie waren alle fort.
    Aber wohin? Noch dazu mitten in der Nacht?
    Verwirrt und zutiefst beunruhigt führte er das Pferd wieder aus dem Stall, kletterte ächzend auf seinen Rücken hinauf und verließ den Bauernhof wieder.
    Diesmal konnte er sich nicht auf die Führung des Tieres verlassen, sondern mußte in seinem eigenen Gedächtnis nach dem rechten Weg zurück nach Buchenfeld kramen. Er gestand sich ein, daß er im Grunde keine Orientierung hatte; er hatte sich ja völlig Bressers Führung anvertraut.
    Aber er war ziemlich sicher, zumindest den Weg zurück zum Fluß zu finden, und von dort aus brauchte er dem Wasserlauf nur noch zu folgen, um nach Buchenfeld zu gelangen.
    So ritt er einfach die Straße hinunter, die - wie er sich erinnerte - direkt zum Fluß und zum Haus des Müllers führte, und zerbrach sich den Kopf über das sonderbare Verschwinden Temsers und seiner Leute. Warum hatte Derwalt ihn gewarnt, diese Nacht nicht auf dem Schloß zu verbringen - die gleiche Nacht, in der sowohl der Bauer und all seine Knechte als auch Graf Theowulf und seine Gäste nicht in ihren Häusern waren?
    Gut eine Stunde lang ritt er so durch die Nacht, ehe

Weitere Kostenlose Bücher