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Wolfsblues

Wolfsblues

Titel: Wolfsblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Crown
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in Milwaukee gelandet waren, musste ich im Auto eingeschlafen sein. Ich konnte mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, wie ich hierhergekommen war.
    Das Zimmer, in dem ich wach wurde, war mir gänzlich unbekannt. Meine Wölfin ging in Habachtstellung. Während meine menschliche Seite mit Interesse die neue Umgebung auf sich einwirken ließ, blieb meine innere Wölfin vorsichtig und zurückhaltend.
    Das Zimmer war in warmen Cremetönen gehalten. Das Bett und die Spiegelkommode in einem dunklen, äußerst antik wirkenden Nussbaumholz brachten einen interessanten Kontrast mit ins Spiel. Die Vorhänge waren aus dem gleichen floralen Overkill genäht wie das Bettzeug, dessen Kanten überbordende Rüschen verzierten. Niedlich, aber ein Tick zu viel des Guten! Es wirkte auf mich wie das Zimmer einer älteren Dame. Auf Dauer würde dieser Kitsch mich erdrücken.
    In Bristol nannte ich ein kleines Zimmer im ehemaligen Wäschekeller mein Eigen. Recht sauber, aber in der Tat winzig. Neben meinem Bett hatte mit Ach und Krach ein kümmerlicher Schrank Platz gefunden. Ich konnte dessen Türen nicht einmal vollständig öffnen, stießen sie an mein Bett. Mein Raum war eine bessere Besenkammer, zweckmäßig und dennoch liebte ich ihn. Niemand, aber auch niemand kam dort herein. Es war mein Reich, mein Rückzugspunkt, den nicht einmal Claude oder Kate entweihen durften. Desmond hatte die Anweisung gegeben, dass keiner mein Domizil betreten durfte. Erstaunlicherweise hielt er sich ebenfalls daran.
    Der Raum, in dem ich mich befand, war nicht riesig, dennoch fühlte ich mich verloren. Meine Wölfin war rastlos auf dem fremden Terrain und suchte nach etwas Vertrautem. Mein Blick fiel aus dem Fenster zu meiner Seite. Bäume! Das Licht brach sich durch den Mischwald und ich konnte ihn riechen. Harzig, lebhaft nach Holz, Chlorophyll und Gras. Und ich roch Wasser. Ungemein frisches, klares Wasser eines Sees, den ich in der Ferne am Horizont, dank meiner erstklassigen Wolfsaugen, nunmehr auch erspähen konnte. Er schien riesig zu sein. Unter Umständen war es ja auch das Meer?
    Es roch nicht nach Stadt. Nicht nach dem Fluss – dem Avon - um den herum sich Bristol erstreckte. Meinem Wolf missfiel die urbane Lebensweise in der Metropole von Anfang an. Ich war in Aspen aufgewachsen und ein Naturkind. Kaum das ich laufen konnte, war ich wie eine Gämse die Berge hochgeklettert. Ich hatte im Roaring Fork River gefischt und in den dichten Waldungen gecampt. Dieser Flecken erinnerte mich lebhaft an mein ehemaliges Zuhause. Meine Wölfin löste sich letztendlich aus ihrer Habachtstellung und rollte sich gelassen zusammen. Wo es so behaglich war, konnte es nicht schlecht sein. Was das anging, war sie ungemein oberflächlich und viel zu vertrauenswürdig.
    Neben dem Bett, auf einer kleinen Kommode, lag eine Tafel Schokolade. Exzellente Schweizer Schokolade mit einem hohen Kakaoanteil. Genauso liebte ich sie. Je herber, desto besser. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Die Tafel stellte das Lykaner-Pendant zu dem Schokoladentäfelchen dar, die man auf Hotelkissen fand. Meine Fressgier siegte. Ich brach eine Rippe der noch geschlossenen Packung ab und riss das Papier hektisch auf. Mein Hunger war immens, da ich verletzt war. Selbst die gesamte Tafel würde indes nicht genügen, um die Nährwerte zu erhalten, die ich benötigte, um die Verletzungen zu heilen. Ich sehnte mich nach einem monströsen Stück Fleisch, äußerst blutig und das, wo ich in der Regel fast vegetarisch lebte! Nachdem ich die ganze Tafel verputzt hatte, fiel mein Augenmerk auf die Notiz darunter. Sie war auf dickem, überaus noblem Papier mit eingeprägtem Briefkopf geschrieben.
     
    Christian Barley
    - Master Translatologie, Simultandolmetscher -
    Englisch & Deutsch
    Gebärdendolmetscher
    Oshkosh, Wisconsin
     
    Ich hatte es nicht mit Fremdsprachen. Desmond nötigte mich, mit Claude Französisch zu lernen. Doch was das anging, war ich vergleichsweise talentfrei. Deutsch fiel mir leichter, hatte es in meinem alten Rudel eine deutschstämmige Lykanerin gegeben. Trudi hatte mir deutsche Lieder vorgesungen und deutschsprachige Märchen vorgelesen, als ich ein kleines Mädchen war. Sie war nett und die Sprache kam mir dadurch näher als Französisch, das der verhasste Claude mir beizubringen versuchte.
    Dass Christian Sprachen studiert hatte, war in keinster Weise überraschend. Er machte auf mich einen äußerst eloquenten Eindruck. Abby zog ihn auf, dass er zu viel

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