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Wolfsbrut

Wolfsbrut

Titel: Wolfsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Whitley Strieber
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»Eines muß ich dir lassen, George, du weißt wirklich, wie man ein Mädchen anmacht. Das ist das Netteste, was du seit einem Jahr zu mir gesagt hast.«
    »Nun... du... weißt du, mir fällt schon auf, wenn deine Sachen durcheinandergeraten.«
    »Schön für dich. Der erste Beweis dafür, daß du ein Mensch wirst.« Sie fädelte sich in den Verkehr ein und fuhr automatisch zu ihrer nächsten Anlaufstelle, dem Büro des Gerichtsmediziners. Die Autopsie sollte in einer halben Stunde anfangen, und jetzt war es noch wichtiger, dort zu sein. Wenn die Autopsie keine Todesursache ergab, waren sie gezwungen, das Unmögliche anzunehmen: daß Hunde die Morde begangen hatten. Und das war für einen Polizisten eine ziemlich unwahrscheinliche Todesursache.
    Becky konnte das zunehmende Gefühl der Angst nicht unterdrücken, das ihr dieser Fall verschaffte. Sie stellte sich die beiden Polizisten da draußen im Nieselregen vor, wie sie dem gegenüberstanden, was in Gottes Namen über sie hergefallen war... und mit dem Geheimnis starben. In solchen Augenblicken wünschte sie sich, sie und Dick würden enger zusammenarbeiten. Er würde die Gründe für ihre Gefühle auf eine Weise verstehen, wie es Wilson nie könnte. Sie nahm ihre Fälle sehr persönlich, das war eine ihrer schlimmsten Unzulänglichkeiten - aber auch der Grund dafür, daß sie so oft erfolgreich war, dachte sie -, und jeder Fall wirkte anders auf sie. Dieser würde sie durch seine schrecklichen Untertöne stark mitnehmen. Was mit diesen beiden Polizisten geschehen war, gehörte zu einem Alptraum...
    »Du murmelst vor dich hin.«
    »Nein.«
    »Du murmelst vor dich hin, du wirst verrückt.«
    »Nein! Aber du solltest besser den Mund halten.«
    »Schon gut, aber ich kann dir sagen, daß dich dieser Fall fertigmachen wird.« Er drehte sich plötzlich zu ihr um. Sie riß den Wagen etwas herum; sie hatte den absurden Eindruck, als wollte er sie küssen. Aber sein Gesicht sah beinahe schmerzverzerrt aus. »Der Grund, weshalb ich das sage, ist der, daß er mich fertig macht. Ich meine, ich weiß nicht, was da draußen passiert ist, aber es macht mir echt zu schaffen.«
    »Du meinst, du fühlst dich beschissen deswegen, du hast Angst - oder was?«
    Er dachte einen Augenblick nach, dann sagte er sehr leise: »Es macht mir Angst.« Wilson hatte noch niemals so etwas gesagt. Becky behielt den Verkehr im Auge, ihr Gesicht war ausdruckslos.
    »Ich auch«, sagte sie, »falls es dich interessiert. Es ist ein unheimlicher Fall.« Diese Unterhaltung erforderte äußerste Vorsicht; Wilson konnte die Wahrheit sagen, oder er konnte sie provozieren und dazu bringen, ihre innersten Gefühle bloßzulegen, sie zu dem Eingeständnis zwingen, daß sie in unprofessioneller Weise zu großen Anteil an ihrer Arbeit nahm. Sie fühlte sich zwar sicher in ihrer Partnerschaft, konnte aber keine Gewißheit haben, daß Wilson nicht nach einer Möglichkeit suchte, sie sich vom Halse zu schaffen. Es hätte keine Rolle gespielt - heutzutage warteten sie in einer Schlange darauf, mit ihr arbeiten zu dürfen -, aber sie wollte die Partnerschaft irgendwie aufrechterhalten. Wilson war unausstehlich, aber zusammen waren sie so gut, daß es sich lohnte, sie zu erhalten.
    »Es ist hart, aber gut«, sagte er plötzlich.
    »Wovon spricht du?«
    »Von uns. Du denkst über uns nach, oder nicht?«
    So, wie es sich bei ihm anhörte, hätten sie ein Liebespaar sein können. »Ja, das tue ich.«
    »Siehst du, darum ist es gut. Wenn es nicht gut wäre, hätte ich das nicht gewußt.«
    Sie holte tief Luft. »Wir sind hier. Vielleicht finden wir heraus, daß sie vergiftet wurden, und dies wird wieder zu einem normalen Fall.«
    »Nein.«
    »Warum nicht? Ich glaube nicht, daß wir annehmen können... oh, natürlich, die Hunde haben die Organe gefressen, und es sind keine toten Hunde da, daher war kein Gift in den Organen, daher, und so weiter.«
    »Hast's kapiert, Herzblatt. Gehen wir rauf und sehen dem alten Arschgesicht zu, wie er so tut, als wäre er der Chefschnüffler.«
    »O Wilson, warum läßt du den armen Mann nicht in Ruhe? Er macht seine Arbeit so gut wie wir unsere. Dein Streit mit ihm ist rein persönlich.«
    »Kann nicht sein. Er hat keine Persönlichkeit.«
    Das Büro des obersten Gerichtsmediziners befand sich in einem funkelnagelneuen modernen Gebäude auf der anderen Straßenseite gegenüber dem Bellevue Hospital. Dieses »Büro« war in Wahrheit eine Fabrik für Spurensicherung und Pathologie, die mit

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