Wolfsbrut
Doktor, entschuldigen Sie.«
»Nun, Sie müssen zugeben...«
»Ja, ja, hören Sie auf. Becky, es tut mir leid.«
»Ja. Mir tut es auch leid.« Er sah flehentlich zu ihr auf, und sie sah in beruhigend an - hoffte sie.
»Denk nicht an den Tod. Du hast an den Tod gedacht. Denk... an unsere Kamera. Heute nacht bekommen wir unsere Bilder, und dann kommt Bewegung in die Sache. Alle Beweise, und die Bilder - sie werden uns glauben müssen.«
»Und wir werden Schutz bekommen?«
»Verdammt richtig. Was immer geschieht, es wird immerhin etwas sein. Besser als dies, weiß Gott.«
Becky dachte zum ersten Mal darüber nach. Welche Form würde der Schutz haben? Die kalte Angst der Erkenntnis erfüllte sie - das einzige, was helfen würde, wäre hermetisches Eingesperrtsein. Zuerst würde es bedeuten, nachts ruhig schlafen zu können, aber dann würde es erdrückend werden, schließlich unerträglich, und sie würde es sein lassen; und draußen würde jeder Augenblick Gefahr bergen, jeder Schatten das Potential des Todes haben. Es fiel ihr schwer, ihre Gedanken von diesem Thema abzuwenden. Und nun ergriff der Tod von ihrer eigenen Phantasie Besitz. Wie würde es sein, in Stücke gerissen zu werden? Unerträgliche Schmerzen? Oder bietet ein Mechanismus des Gehirns Erlösung?
Sie konnte auch darüber nicht nachdenken. Denk an den nächsten Augenblick, nicht an die Zukunft. Denk an die Kamera. Männer in der Schlacht müssen so denken, sich immer auf den nächsten Schuß konzentrieren, das tödliche Pfeifen der Kugeln verdrängen, das Stöhnen der Unglücklichen, bis sie selbst...
Sie zwang sich, nicht mehr daran zu denken, und sagte mit müder Stimme: »Inzwischen hat Dick die Kamera wahrscheinlich. Es ist fast drei Uhr. Was würdest du dazu sagen, wenn wir rüberfahren und die Beobachtung planen? Es wird eine lange Nacht werden.«
Ferguson lächelte ein wenig. »Offen gesagt, ich glaube, es wird aufregend werden. Sicher auch gefährlich. Aber mein Gott, denken Sie doch nur an die großartige Enthüllung! Die Menschheit lebt seit urdenklichen Zeiten in einem Traum, und plötzlich stehen wir im Begriff, die Wahrheit zu entdecken. Ein außergewöhnlicher Augenblick.«
Die beiden Polizisten sahen ihn fassungslos an. Ihre Denkweise betonte die Gefahren des Unternehmens, nicht dessen Schönheit. Fergusons Worte weckten die Erkenntnis, daß es auch Schönheit gab. Wurde die Existenz des Werwolfs erst einmal bewiesen, würde sich das Leben der Menschheit völlig verändern. Natürlich würden Panik und Entsetzen herrschen - aber auch eine neue Herausforderung. Der gejagte Mensch - und sein Jäger, so geschickt, so perfekt ausgerüstet, daß er beinahe übernatürlich zu sein schien. Der Mensch hatte sich stets der Natur gestellt, indem er sie niedergeknüppelt hat. Dies würde etwas Neues erfordern - man würde den Werwolf akzeptieren müssen. Es war unwahrscheinlich, daß er sich widerstandslos niederknüppeln lassen würde.
Becky spürte, wie ihre innere Entschlossenheit wuchs. Sie kannte das Gefühl. Sie hatte es häufig, wenn sie mit einem besonders schlimmen Fall zu tun hatte, einem Fall, bei dem man den Mörder wirklich finden wollte. Wenn ein Drogendealer oder anderer Abschaum abgeknallt worden war, war es einem eigentlich egal. Aber wenn es ein Unschuldiger war, ein Kind, ein alter Mensch - dann bekam man dieses Gefühl, als müßte man die Verhaftung erreichen. Rache, das war es. Und Fergusons Worte hatten diese Wirkung. Es war ein außergewöhnlicher Augenblick, verdammt richtig. Die Menschheit befand sich bereits in dieser Situation, wußte es nicht, hatte aber ein Recht, es zu erfahren. Man konnte vielleicht nicht viel dagegen unternehmen, anfänglich nicht, aber die Opfer hatten wenigstens das Recht, das Antlitz ihres Angreifers zu sehen. »Rufen wir Dick an und vergewissern wir uns, daß er bereit ist. Es ist unnötig, uns auf die Straße zu wagen, wenn wir es nicht müssen.« Sie griff zum Telefon.
Dick nahm nach dem ersten Läuten ab. Er hörte sich grimmig an. Er beantwortete Beckys Fragen mit gedämpfter Stimme. Die Tatsache, daß er auch von Evans' Ermordung gehört hatte und wußte, wer es getan hatte, blieb unausgesprochen. Sie beendete das kurze Gespräch und legte den Hörer auf. »Er hat die Kamera. Die Funkgeräte holt er heute nachmittag. Ein paar tragbare CBs.« Becky hatte etwas Neues gespürt, als sie Dicks Stimme hörte. Sie war voller Wärme, ein Ausdruck der Verbundenheit, wie sie ihn nicht
Weitere Kostenlose Bücher