Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfsdunkel -7-

Wolfsdunkel -7-

Titel: Wolfsdunkel -7- Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
Vom Netzwerk:
Jetzt tauchst du hier auf und gehst nicht mehr weg.“
    „Vielleicht gefällt es mir hier.“
    Grace bedachte mich über den Rand ihres Weinglases mit einem skeptischen Blick.
    Auf dieser Terrasse, das Heim meiner Kindheit hinter mir, den Wald vor mir und meine beste Freundin neben mir, tat ich das, was man mir zu tun geraten hatte, um zu heilen, und wozu ich bisher nicht imstande gewesen war. Ich sprach darüber.
    „Ich ging mit einem netten Mann aus, der im Büro des Gouverneurs arbeitete.“
    „Die Netten bedeuten immer Ärger. Entweder sind sie langweilig oder in Wahrheit ganz und gar nicht nett.“ Sie legte den Kopf schräg. „Welche Kategorie war er?“
    „Ganz und gar nicht nett.“
    „Das dachte ich mir schon.“
    „Wir trafen uns schon ein paar Monate. Drei, vielleicht auch vier. Restaurantbesuche, Kino, politische Veranstaltungen.“
    Grace schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. „Schnarch.“
    Mein Lachen überraschte mich selbst. Normalerweise war ich, wenn ich an diese Nacht dachte, vor Angst und Ekel wie gelähmt. Ganz bestimmt hatte ich in diesem Zusammenhang nie gelacht.
    „Ich lud ihn auf einen Drink in meine Wohnung ein.“
    Wir waren hineingegangen; ich hatte die Tür geschlossen und gerade dazu angesetzt zu fragen, was er trinken wollte, als ich feststellen musste, dass er mich wollte.
    Meine Brust tat weh; ich atmete nicht. Ich holte tief Luft, aber sie schien mir im Hals stecken zu bleiben.
    „Lass dir Zeit“, sagte Grace mit beruhigender Stimme, die sie zweifellos für den Umgang mit traumatisierten Opfern perfektioniert hatte.
    „Da gibt es nicht viel zu erzählen. Er war der Annahme, dass ich ihn auf mehr als nur einen Drink eingeladen hätte.“
    „Aber das hattest du nicht.“
    „Nein.“ Ich versuchte mir in Erinnerung zu rufen, was ich gedacht und gefühlt hatte.
    Vielleicht hatte ich Sex mit ihm gewollt. Vielleicht hatte er das gespürt und die Gelegenheit beim Schopf gepackt. Ich wusste nicht mehr, was ich vor diesem Abend für Josh Logan empfunden hatte.
    „Sprich weiter, Claire. Du kannst mir vertrauen.“
    Unsere Blicke trafen sich, und ich erkannte, dass sie die Wahrheit sagte. Grace mochte wütend gewesen sein, dass ich fortgegangen war, vielleicht war sie es noch immer ein bisschen, trotzdem liebte sie mich. Sie würde alles für mich tun. Ich hatte nie eine andere Freundin wie sie gehabt, und daran würde sich auch nichts ändern. Alte Freunde waren einfach die besten Freunde. Sie kannten einen in- und auswendig – und mochten einen trotzdem.
    „Er … “, setzte ich an, dann begann ich zu husten, als ob mir etwas in der Kehle feststeckte.
    Grace schob mir mein Weinglas in die Hand. „Hier, trink.“ Sie klopfte mir zusätzlich mehrmals auf den Rücken.
    Nachdem mein Husten abgeklungen war, ich ein paar Schlucke Wein getrunken und tief durchgeatmet hatte, versuchte ich es noch mal. „Wir hatten Sex, und dann ging er.“
    „Das ist es nicht, was passiert ist.“
    „Warst du dabei?“
    „Du würdest nicht zittern, husten und stottern, wenn es hier nur um Sex ginge.“
    „Extrem miesen Sex“, räumte ich ein.
    „Er hat dich vergewaltigt.“
    Ich zuckte so heftig zusammen, dass Wein aus meinem Glas schwappte. Dunkelrote Tropfen perlten über meine Hand und fielen auf die Terrasse. Ich beobachtete, wie sie über meine Haut rannen, und dachte an Schneewittchens Mutter, die sich beim Nähen in den Finger stach und das Blut auf das weiße Leinen tropfen ließ. Die seltsamsten Bilder kamen mir in den Kopf, wenn ich versuchte, die Wahrheit zu verschleiern.
    „Er war mein … Freund.“ Zumindest nahe dran. „Ich hatte ihn reingebeten.“
    „Auf einen Drink, nicht für Sex. Hast du ihm das gesagt?“
    „Ich … ich glaube schon. Alles ist so verschwommen.“
    „Hast du dich gewehrt?“
    „Ein bisschen.“ Ich hatte mitten in einem glutheißen Atlanta-Sommer langärmlige Blusen tragen müssen, bis die Blutergüsse an meinen Armen verschwunden waren. „Offensichtlich nicht genug.“
    „Es war nicht deine Schuld.“
    Tief in meinem Inneren wusste ich, dass das die Wahrheit war. Doch in höheren Regionen, zum Beispiel meinem Kopf, wurde ich den Gedanken, mir das, was geschehen war, selbst eingebrockt zu haben, einfach nicht los. Dass ich Josh dazu verleitet hatte, indem ich ihm die falschen Signale gab. Ich hatte ihn gemocht, hatte mich zu ihm hingezogen gefühlt. Irgendwann hätte ich so oder so mit ihm geschlafen. Wo lag also das Problem?
    Gott,

Weitere Kostenlose Bücher