Wolfsdunkel -7-
drinnen und kalkulierte, ob ich es schaffen würde, ins Haus zu flüchten und die Tür zuzuknallen. Aber das wäre kindisch gewesen.
Und wenn schon .
Ich rannte in die Diele und hätte es fast geschafft, als er sich in der letzten Sekunde gegen die Tür warf. Josh war schon immer blitzschnell gewesen.
„Was hast du denn?“ Er folgte mir nach drinnen.
Ich wich zurück, um zu verhindern, dass er nach mir grabschen konnte. Gelassen schloss er die Tür, sperrte ab und knipste das Licht an.
Er sah noch genauso aus wie bei unserer letzten Begegnung, andererseits konnte ich mir auch nicht vorstellen, dass ihm der Vorfall ebenso viele schlaflose Nächte beschert hatte wie mir.
Der junge, blonde, durchtrainierte Josh war der Liebling von Atlanta. Geboren in Washington, D.C., was geographisch im Süden liegen mochte, technisch gesehen jedoch Lichtjahre von der Erde entfernt war, hatte er einen Kongressabgeordneten zum Vater, der früher Anwalt gewesen war. Waren sie das nicht alle? Joshs Mutter war eine ehemalige Anwältin und heutige Lobbyistin. Das Gleiche galt für seine Schwester.
Josh war der helle Stern, der große Hoffnungsträger am Firmament der Familie Logan. Er hatte die Universität von Georgia und anschließend Harvard besucht, bevor er zurückgekehrt war, um für den Gouverneur zu arbeiten. Die erfolgreiche Jagd auf exakt dieses Amt würde die nächste Stufe auf Joshs Weg ins Weiße Haus sein.
Ah, verdammt. Ich würde ihn ans Messer liefern müssen. Das begriff ich jetzt.
„Was willst du?“, fragte ich.
„Dasselbe, das ich immer wollte, Claire. Dich.“
Eine Gänsehaut breitete ich auf meinem ganzen Körper aus. Ich hatte das hier schon hundertmal in meinen schlimmsten Albträumen durchlebt, aber nie wirklich geglaubt, dass es Realität werden könnte. Warum sollte Josh sozusagen an den Schauplatz des Verbrechens zurückkehren? Warum sollte er das Risiko eingehen, dass ich durch ein Wiedersehen erkennen würde, wie dumm ich gewesen war? Dass ich plötzlich begreifen könnte, dass ich die Polizei rufen und sicherstellen musste, dass er das, was er mir angetan hatte, nie einer anderen antun würde?
Vielleicht war er doch nicht ganz so schlau, wie er immer behauptete.
OprahbegannaufderTreppewütendzufauchen,undJoshsBlickglittvonmirzuderKatze.IhrKnurrenwurdevomKratzenihrerKrallenaufdemHartholzersetzt,alssiedieStufenhinaufflüchteteundinderDunkelheitdeserstenStocksverschwand.
Josh wandte seine Aufmerksamkeit wieder mir zu, und ich hatte Mühe, den Drang, Fersengeld zu geben und wie die Katze nach oben zu rennen, niederzukämpfen. Wenn ich das täte, würde er mich festhalten, und das wollte ich um jeden Preis vermeiden. Viel besser wäre es, ihn aus dem Haus zu locken. Draußen hätte ich vielleicht eine Chance.
„Warum gehen wir nicht auf die Terrasse?“
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und kehrte ihm den Rücken zu. Als er mich nicht zu Boden stieß und anfing, an meinen Kleidern zu zerren, ging ich in die Küche und weiter zu der Glasschiebetür.
Ich hörte, wie der Kühlschrank geöffnet wurde, und hielt inne. Josh steckte den Kopf ins Innere. „Kein Champagner?“ Er streckte die Hand aus und holte eine Flasche Sauvignon Blanc heraus. „Dann muss es der eben tun.“
Er nahm zwei meiner Weingläser und forderte mich mit einem Nicken auf weiterzugehen. Ich hätte abhauen sollen, während er den Kopf im Kühlschrank gehabt hatte; vielleicht hätte ich es in den Wald geschafft. Mein Verstand arbeitete nicht so scharf, wie er sollte. Ich musste mich konzentrieren und die nächste Chance zur Flucht nutzen.
Auf der Terrasse schenkte Josh jedem von uns ein Glas ein, dann stellte er die Flasche auf den Tisch. Er reichte mir meins. „Wir müssen reden.“
„Reden?“ Ich nahm den Wein, trank jedoch nicht. Vielleicht könnte ich ihn ihm in die Augen schütten und wegrennen.
Josh ließ sein Wahlkampflächeln – das Ergebnis Tausender in Kieferorthopäden investierter Dollar – aufblitzen und gluckste fröhlich. „Ich will dich zurück, Schatz. Ich habe dich so sehr vermisst.“
„Du hast mich vermisst?“ Ich schien nicht damit aufhören zu können, seine Worte zu wiederholen.
„Ich weiß, wir waren nicht lange zusammen, aber du hast mein Herz erobert.“ Er schlug sich mit der Faust auf die linke Brust.
Ein hysterisches Kichern stieg in meiner Kehle hoch. Meinte er das ernst? Aus welchem anderen Grund sollte er gekommen sein, es sei denn …
Mein Verstand rebellierte bei der
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