Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall
kam ihm schlagartig zu Bewusstsein, dass das Handy, welches er in seinem Rucksack mit sich führte, ja eigentlich Max gehörte. Er zog es heraus. Es dauerte einen Augenblick, bis er die richtige Taste zur Entgegennahme des Gesprächs gefunden hatte.
»Ja. – Bevor du irgendetwas sagst, beantworte mir die Frage, ob dich jemand hören kann.«
»Nein, Wolf«, beschwichtigte Max die Ängste Tannenbergs. »Ich bin mit Kurt unterwegs und stehe gerade mitten im Wald auf einer Lichtung. Da ist weit und breit niemand. Mir ist auf dem Weg hierher auch niemand begegnet oder gefolgt.«
»Bist du da ganz sicher?«
»Ja.«
»Gut. Gott sei Dank rufst du endlich an. Ich sitze hier nämlich wie auf glühenden Kohlen.«
»Aber warum hast du dich denn nicht bei mir gemeldet, wenn’s so dringend ist?«
»Weil ich deine Nummer nicht habe«, sagte Tannenberg mit jammerndem, aber auch durchaus vorwurfsvollem Unterton.
»Stimmt! Nur hättest du mich sowieso nicht früher auf meinem neuen Handy erreichen können. Die haben nämlich erst vor einer halben Stunde die Nummer freigeschaltet. Aber du hättest doch bei deinen Eltern oder bei Heiner anrufen ...«
»Nein, nein, das geht doch nicht«, warf Tannenberg entsetzt dazwischen. »Max, die dürfen nichts davon mitbekommen. Versprichst du mir das?«
»Natürlich, Wolf.«
»Nun sag mir endlich, wies bei euch aussieht.«
»Zuerst will ich wissen, wies dir geht.«
Tannenberg seufzte, räusperte sich. »Na ja, wie sagt man immer so schön: den Umständen entsprechend gut. Und bei euch?«
Max schnaubte so laut, dass Tannenberg erschrocken das Handy ein paar Zentimeter von seinem Ohr entfernte.
»Wolf, du kannst dir überhaupt nicht vorstellen, was hier los ist. Die Hölle, sag ich dir. Marieke ...«
»Was ist mit ihr?«, schrie Tannenberg geschockt dazwischen.
»Nichts Schlimmes, Wolf«, versuchte Max seinen väterlichen Freund zu beruhigen. »Wir waren gestern bis tief in die Nacht hinein im Krankenhaus. Marieke hatte plötzlich starke Unterleibsschmerzen bekommen.«
»Um Gottes willen!«
»Aber mit ihr und dem Baby ist alles O.K. Wir hatten einfach nur große Angst, dass sie wegen der Aufregung eine Fehlgeburt – oder wie das in diesem frühen Stadium richtig heißt ...«
»Ist wirklich alles in Ordnung?«, unterbrach Tannenberg abermals mit zitternder Stimme.
»Ja, mach dir keine Sorgen. Es war eben nur ein bisschen zuviel Stress für uns alle gestern.«
»Warum? Was ist passiert?«
»Einiges, kann ich dir sagen: Nachdem deine Kollegen diesen Geiger oben in deiner Wohnung gefunden haben, haben sie hier bei uns gleich mal alles auf den Kopf gestellt. Auch bei deinen Eltern und im Haus von Heiner. Und dann mussten wir auch noch alle zum Verhör ins Präsidium. Deine Kollegen waren völlig aus dem Häuschen, kann ich dir sagen. Dieser Oberstaatsanwalt hat sich aufgeführt wie Rumpelstilzchen!«
»Es tut mir so unendlich leid, dass ich euch in diesen verdammten Schlamassel mit hineinziehe.« Tannenberg schluckte mehrmals, raufte sich dabei die Haare. »Vielleicht sollte ich mich besser sofort stellen. Dann habt wenigstens ihr eure Ruhe. Die arme Marieke ...«
»Quark!«, würgte Max seinen Gesprächspartner energisch ab. »Wenn du im Knast sitzt, hast du doch nicht die geringste Chance, diesen oberfaulen Komplott aufzudecken. – Ach, übrigens: Dein Freund, der Gerichtsmediziner, springt vor lauter Aufregung im Dreieck. Er sucht dich überall. Soll ich ihm nicht sagen, dass ...«
»Nein, Max, nein und nochmals nein. Unter keinen Umständen. Du musst mir wirklich hoch und heilig versprechen, niemandem von unseren Gesprächen und unserem Kontakt etwas zu erzählen. Im Moment weiß ich nämlich wirklich nicht mehr, wem ich außer dir überhaupt noch trauen kann. Versprichst du mir das?«
»Wolf, du wiederholst dich. Aber ich sag dir’s gerne noch einmal: Du kannst dich hundertprozentig auf mich verlassen.«
»Danke, Max. Und gib Marieke einen Kuss von mir.«
Etwa zwei Stunden nach diesem Telefonat kehrte Benny de Vries zu seinem Reisemobil zurück.
»Ich habe mal meinen Dienst-Computer nach dir abgefragt«, verkündete der holländische Kriminalbeamte, gleich nachdem er Tannenberg erblickt hatte.
»Was? Um Himmels willen. Das ist doch viel zu gefährlich! Hast du wenigstens gleich danach deine Spuren verwischt?«
»Selbstverständlich, Wolf. Aber steigerst du dich nicht gerade ganz schön in einen Verfolgungswahn hinein? Du siehst ja hinter jeder Ecke einen
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