Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall
zusehends.
Er dachte darüber nach, ob es nicht besser wäre, all dem nun ein Ende zu bereiten, hinunter in die Höhle zu gehen, seine Waffe gegen sich zu richten – und damit auch die eigene Familie, die Freunde zu schützen ...
Bist du jetzt völlig bescheuert geworden? Du elender Hosenscheißer, du Schlappschwanz!, schmetterte ihm plötzlich seine innere Stimme außer sich vor Wut entgegen.
Dieser energische Rüffel zeigte sogleich Wirkung. Tannenberg faltete die Zeitung zusammen und erhob sich von dem rauen Buchenstamm.
Als er ein paar Minuten später wieder an seinem Unterschlupf eintraf, bestand seine erste Handlung zwar auch darin, den Rucksack aus der Höhle zu ziehen und in ihn hineinzugreifen. Allerdings nicht etwa um eine der beiden Waffen herauszufischen und sich an Ort und Stelle zu erschießen, sondern um mit Maximilians Handy ein dringliches Telefonat zu führen.
Zuerst musste er allerdings noch das Impressum der PALZ suchen. Er hatte sich nämlich kurzentschlossen in den Kopf gesetzt, den Chefredakteur der Lokalzeitung, den er von seinem letzten Fall her persönlich kannte, anzurufen und ihn ohne Umschweife nach dem Namen des mysteriösen Informanten zu fragen.
Wie schon des Öfteren in seinem Leben frönte Tannenberg nun ohne nachzudenken einem aufschäumenden Aktionismus, der ihn u.a. völlig vergessen ließ, welche Uhrzeit gerade herrschte. Als er die in der Zeitung abgedruckte zentrale Redaktionsnummer eingetippt hatte, war er zunächst ziemlich erstaunt darüber, dass sich nur der Anrufbeantworter meldete. Erst als er die synthetisch klingende Stimme der Bandansage hörte, die ihm mit monotonem Timbre verkündete, dass er außerhalb der Kerngeschäftszeiten anrief, warf er einen entgeisterten Blick auf seine Armbanduhr.
Das Tonband war noch nicht zu Ende, als sich plötzlich eine durchaus real klingende weibliche Stimme meldete. Nachdem Tannenberg der jungen Frau mitgeteilt hatte, um wen es sich bei dem frühmorgendlichen Anrufer handelte, verstummte sie schlagartig.
Die junge PALZ -Mitarbeiterin war erkennbar verunsichert. Sie wusste allem Anschein nach nicht so recht, ob sie diesem ominösen Anrufer die Privatnummer ihres Chefredakteurs wirklich mitteilen sollte. Schließlich konnte sie ja nicht wissen, ob sie tatsächlich den per Haftbefehl gesuchten, suspendierten Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission an der Strippe hatte.
Nachdem sie eine Weile unsicher herumgedruckst hatte, lehnte sie Tannenbergs Wunsch zunächst ab. Dies allerdings derart zögerlich und halbherzig, dass es nicht sehr viel Überzeugungsarbeit bedurfte, um sie schließlich doch noch zur Herausgabe der Telefonnummer zu bewegen. Ausschlaggebend war die Mitteilung Tannenbergs, dass er sich in einer psychischen Ausnahmesituation befände und er sich gleich nach dem Gespräch mit dem Chefredakteur der Polizei stellen wolle.
Eberhard Richter meldete sich mit einem gegähnten und unwirsch dahingeknurrten »Ja«. Als er aber hörte, dass es sich bei seinem unsichtbaren Gesprächspartner angeblich um einen der zur Zeit meistgesuchten Schwerverbrecher Deutschlands handelte, war er von der einen zur anderen Sekunde plötzlich hellwach.
»Tannenberg, sind Sie das wirklich?«
»Ja.«
»Das kann ich gar nicht glauben. Entschuldigen Sie, aber ich muss erst mal testen, ob Sie’s überhaupt sind. Behaupten kann das ja schließlich jeder.«
»Dann machen Sie mal! Aber schnell, mein Akku hält nicht ewig!«
»Erinnern Sie sich an unser Gespräch bei mir im Büro, etwa vor einem Jahr? Das waren die Ermittlungen ...«
»Ja, natürlich«, warf Tannenberg ungeduldig dazwischen.
»Wo hatte die ermordete Charlotte damals den Skandal ausgelöst?«
»In Bremen«, kam es wie aus der Pistole geschossen, denn Tannenberg erinnerte sich noch sehr gut an seinen Auftritt in der PALZ -Redaktion.
»Dann sind Sie es also wirklich! Wo stecken Sie denn? Was sagen Sie zu der eindeutigen Indizienlage, die ...«, legte Eberhard Richter in bewährter Journalistenmanier los.
»Langsam, langsam, Herr Chefredakteur!«, würgte Tannenberg ihn erneut brüsk ab. »Ich rufe Sie nicht an, um Ihnen ein Interview zu geben. Ich will von Ihnen nur eins: Erfahren, von wem Sie Ihre Insider-Informationen zugespielt bekommen. Woher wissen Sie zum Beispiel von dieser angeblichen 5000-Euro-Überweisung von meinem Konto auf ...?«
»Angeblich?«, warf nun Richter nun seinerseits dazwischen.
»Ja, angeblich! Verdammt noch mal, das ist doch alles erstunken und
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