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Wolfsfieber - Band 2

Wolfsfieber - Band 2

Titel: Wolfsfieber - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Adelmann
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senkte, war kein Geräusch zu hören. Von seinen merkwürdigen Worten, der seltsamen Botschaft und seiner sonderbaren Vortragsweise hatte ich Gänsehaut bekommen.
    „All diese Jahre. Und ich kann es noch immer auswendig, ob ich will oder nicht. Das Einzige, was noch fehlt, sind ein Dutzend Werwölfe, die ergeben und angestachelt dazu brüllen, bevor sie die Geschichte zum Leben erwecken, indem sie ihre Schnauzen tatsächlich im Menschenblut baden … Ich konnte das alles nicht mehr. Ich wollte nicht mehr töten. All das Blut und die Schreie. Jetzt hörte ich sie jede Nacht in meinen Träumen. Jetzt wusste ich es: Ich war ein Mensch. Nur ein Mensch fühlt diese Schuldgefühle, den Stachel der Einsamkeit und den Wunsch nach einer Frau.“
    Man konnte jetzt deutlich erkennen, wie sehr ihm alles zusetzte. Auch wenn der Gedanke, dass er Menschen getötet hatte, mir buchstäblich den Magen umdrehte, tat er mir doch unsäglich leid. Istvan neben mir starrte Jakov an. Seine Gefühle waren undurchschaubar. Ich bemerkte aber anklagende Vorwürfe ebenso wie aufrichtiges Mitleid.
    „Aber wenn du so empfunden hast, wieso bist du noch so lange geblieben?“, wollte Istvan von ihm wissen, worauf wir alle Jakov herausfordernd und anklagend musterten.
    „Feigheit. Angst. Die Überzeugung, keinen Ausweg zu haben, dass nichts auf mich wartete. Der Gedanke, dass ich einen Neuanfang gar nicht erst verdiene“, warf er nachdenkend ein. Er zuckte mit den Schultern.
    „Außerdem war ich mir sicher, dass es kein anderes Rudel gab, das mich aufnehmen würde, und dass es ziemlich wahrscheinlich war, dass es gar keine weiblichen Werwölfe mehr gibt. Auch wollte ich, nach all der langen Zeit, sichergehen. Ich wusste nicht mehr, was ich glauben konnte. Die Welt der Menschen war mir fast unbekannt. Doch aufgrund meines Aus-sehens und fast menschlichen Auftretens nutzte Farkas mich öfter für Missionen tief im Feindesland, die ich in den letzten Jahren für eigene Nachforschungen nutzte. In einem kleinen Buchladen stieß ich zufällig auf eine Ausgabe von Jack Londons ‚ Ruf der Wildnis ‘. Anders als die meisten Farkaswölfe kann ich lesen. Meine Schwester hatte es mich gelehrt und ich habe es nie vergessen. Farkas hat seine Krieger übrigens lieber ungebildet. Ihr könnt euch denken, wieso. Irgendetwas sagte mir, dass ich es endlich einmal selbst lesen sollte. Also tat ich es. Ich kaufte das Buch, versteckte es vor meinen Brüdern und besonders vor Farkas. Im Grunde war es das Zünglein an der Waage. Als ich begriff, dass Farkas ein ganzes Kapitel ausgelassen hatte, dämmerte mir schnell, wieso. Er hat niemals erwähnt, dass der Hund in Londons Geschichte von einem Menschen gerettet wird, für dessen Liebe er gegen den Ruf der Wildnis ankämpft. Da verstand ich, dass es an mir lag. Die Entscheidung lag ganz alleine bei mir, nur bei mir. Ich musste entscheiden, ob ich weiterhin, die nächsten Jahrzehnte lang, Farkas Bluthund sein wollte, einsam und ohne Familie, oder ob ich versuchen sollte, meinen eigenen Weg zu gehen. Als das mit euch dann ins Rollen kam, witterte ich meine Chance.“
    „Wann ist es genau passiert? Was hat dich endgültig dazu gebracht, ihm den Rücken zu kehren, für immer?“, fragte Valentin.
    „Letzten Sommer, als Farkas zum ersten Mal wieder mit Istvan anfing, dachte ich zuerst, dass er nur damit ankam, um anzudeuten, dass er mir nicht die Führung des Rudels überlassen wollte, solange ich mich nicht endlich wieder voll einbringen würde. Doch diese Wahl hatte Farkas schon bei Istvans Zeugung getroffen. Aber das muss ich dir ja nicht erzählen, oder?“
    Istvan stieß einen verächtlichen Seufzer aus und sah zur Seite. Mehr Antwort bekam Jakov nicht von ihm.
    „Wie auch immer. Schon seit er dich damals in Rumänien erkannt hatte, versuchte er, dich immer wieder aufzuspüren. Ohne Erfolg. Erst als er die geringeren Söhne dazu benutzte, die menschlichen Kanäle anzuzapfen, fanden sie im Internet einen Lokalartikel über einen Bibliothekar namens Istvan. Im Herbst waren wir in Ungarn unterwegs und Farkas verließ, was eher ungewöhnlich war, das Rudel nur zusammen mit einem geringeren Sohn, um dich aufzusuchen und nach Hause zu führen . So etwas hatte es noch nie gegeben. Immerhin warst du nicht einmal ein geborener Werwolf, sondern warst erst von ihm dazu gemacht worden. Noch dazu warst du längst erwachsen und ich verstand nicht, wie er sich das vorstellte. Er würde es nicht mit einem verlorenen, verwaisten

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