Wolfsfieber - Band 2
über mir war und strich über meine Wange. Ich lächelte liebevoll. Das reale Feuer neben uns war nun gänzlich erloschen. Die Glut glimmte weiter vor sich hin. Das spärliche Licht der dünnen Sichel eines nahen Neumondes umfasste Istvans gleichmäßige Gesichtszüge über mir. Er war so schön anzusehen und sich dessen gar nicht bewusst. Diese markanten Wangenknochen und sein starkes, kratziges Kinn stachen mir am deutlichsten in die Augen. Ich erinnerte mich haargenau an die blassrosa Farbe seiner gleichmäßig geformten Lippen. Bei diesem Licht schienen seine Augen äußerst dunkel und waren nur mit einem dunkelgrünen Schimmer überzogen.
Er legte sich wieder auf die Seite, weshalb ich fast geflucht hätte. Ich hatte tatsächlich vergessen zu atmen, als er noch auf mir gewesen war, deshalb kam mir jetzt ein lautes Hauchen aus.
Vollkommen unerwartet packte er meinen Arm und begann ihn auf eine merkwürdig Weise hin und her zu drehen. Dabei beobachtete ich meine eigene Hand und den dazugehörigen Arm genau wie er, als wären es Kunstgegenstände, die wir eingehend betrachteten. Wonach suchte er? Ich wollte es wissen.
„Was machst du da eigentlich?“
„Ich bin doch ein echter Blödmann. Wenn ich nicht so verdammt verbohrt gewesen wäre, hätte ich schon viel früher entdeckt, wie wunderschön du selbst im spärlichen Mondlicht bist. Deine Haut!“, staunte er. „Sie schimmert in diesem silbrigen Blau, obwohl das Mondlicht doch so schwach ist“, entdeckte er für sich.
Istvan bemerkte auch, dass es durch dieses fahle Licht beinahe so aussah, als würden sich mein Arm und meine Finger in Zeitlupe bewegen, in einer geringen Unschärfe, ähnlich wie er für mich aussah, wenn er in seinem schnellsten Lauf verfiel. Er war darin ganz gefangen. Ich musste einfach über ihn lachen.
Er kam mir vor wie ein Schuljunge, der zum allerersten Mal entdeckt, dass die Sterne nicht unordentlich am Firmament verstreut sind, sondern eindeutige Formationen bilden. Und jetzt, wo er es wusste, kam er sich dumm vor, einfach weil es ihm nicht schon früher aufgefallen war. Obwohl es doch so offensichtlich schien.
„Joe!“, sagte er merkwürdig drängend. Die Art wie seine gedehnte Stimme dabei klang, rau und verhalten, beunruhigte mich.
„Würdest du mir einen Gefallen tun …“, begann er zögernd, ehe er erneut ansetzte: „Darf ich mir dich noch einmal einprägen … bei diesem schwachen Mondlicht?“
Er sah mich so eindringlich und fordernd dabei an, dass ich es nicht einmal wagte, ihm diese Bitte abzuschlagen.
„Bitte!“, flehte er sanft und umklammerte bereits den Rand der Decke, um sie jederzeit wegschlagen zu können.
Meine Zustimmung vermochte ich nicht auszusprechen. Stattdessen ließ ich meine Finger über seine verkrampfte Faust wandern, um mit ihm gemeinsam mit verschränkten Händen die Decke von mir zu ziehen.
Der Blick, mit dem er mich dabei ansah, hätte sogar den Erdkern zum Schmelzen gebracht. Seine Augen wanderten weg von meinem um Fassung bemühtes Gesicht, hin zu meinen Schultern und weiblichsten Kurven, verweilten auf meinem flatternden Bauch, der meine Aufregung kaum verbarg, bevor sein Blick dann meine angezogenen Beine entlang fuhr, ehe er wieder in meine suchenden Augen zurückkehrte.
„Satt gesehen?“, fragte ich zittrig.
„Bestimmt nicht!“, hielt er breit grinsend dagegen und küsste mich leidenschaftlich mit offenem Mund.
Ich schaffte es tatsächlich ihn kurz von mir wegzureißen, auch wenn ich dafür ein paar seiner Nackenhaare in meinen Fingern behielt. Noch brauchte ich ab und zu etwas Atemluft. Leider!
Als ich Istvan erneut an mich drücken wollte, widerstand er meinem Drängen. Ohne es eigentlich zu wollen, zog ich einen Schmollmund wie ein gieriger kleiner Nimmersatt. Er lachte hart, als er mich so sah und kramte nach etwas in seiner Jackentasche. Ich versuchte mehrmals über seine Schultern zu linsen, aber sie waren zu breit. Die Decke fest um seien Hüfte geschlungen, wandte er sich wieder zu mir um. Da erkannte ich, dass Istvan nach dem Notizbuch gesucht hatte, in das er jetzt etwas kurz notierte. Mit einem breiten, schelmischen Lächeln gab er es mir dann zum Lesen. Ich nahm es, drapierte die Decke auf meinem Oberkörper und begann beim heutigen Datum zu lesen:
Meine Liebste sieht im Mondlicht aus wie eine Venus. Silbrigblau umfängt Luna ihren schlanken Leib. Und wie die Flamme den Docht einer Kerze untrennbar umfängt, so schlinge ich meinen Körper um den ihren.
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