Wolfsfieber - Band 2
„und du hast mir verdammt gefehlt. Soll ich’s dir beweisen?“, fragte er grinsend. Ohne meine Antwort abzuwarten, begann er meine Wange zu streicheln und ausgiebig meinen Hals zu küssen. Es war umwerfend, aber ich konnte mich nicht so recht entspannen, mit Jakov zwei Meter vor mir und seinem absoluten Gehör, dass nur durch eine dünne Lage Zeltstoff davon abgehalten wurde, alles, aber auch wirklich alles zu hören. Und Istvan war der Einzige, von dem ich wollte, dass er den Klang meines erregt pochenden Herzens kannte. Deshalb bat ich ihn mit einem Nicken in Jakovs Richtung, völlig ohne Worte, von mir abzulassen. Ohne dass Istvan mich gänzlich freigab, saßen wir beieinander und aßen meine mitgebrachten Sachen am Lagerfeuer. Als wir damit fertig waren, stand Istvan auf, hielt mir seine Hand hin, zog mich hoch und sprach in Jakovs Richtung, als würde dieser vor ihm stehen:
„Du kannst jetzt rauskommen und deinen Anteil essen, wenn du willst!“ Beinahe im selben Moment hörte ich das Ratschen des Reißverschlusses und ein leicht verschlafener Jakov kam ans Feuer, um seinen Hunger zu stillen. Anders als Istvan nutzte er das Feuer, um die Würstchen erst richtig lange zu braten, bevor er sie allesamt in sich hineinstopfte. Er ließ fast nichts mehr für Istvan über. Teilen hatte er bestimmt nie gelernt. Eigentlich hätte mich das nicht so überraschen sollen, bei allem, was uns Jakov über sein früheres Leben erzählt -hatte. Istvan beobachtete ihn mit einem gewissen Unverständnis. Aber hatte früher in seinem Blick eine Art Abneigung gelegen, so zeigte sich nun eine gutmütige Anteilnahme, auf die ich die ganze Zeit schon gewartet hatte. Istvan begann, seinen Halbbruder Jakov endlich als Menschen wahrzunehmen, und versuchte, ihn aufrichtig zu verstehen. Diese Erkenntnis rührte mich. Vielleicht war es ihnen in der letzten Nacht doch gelungen, miteinander zu reden. Plötzlich packte mich eine kaum bezähmbare Neugier, die ich in Jakovs Gegenwart aber nicht stillen konnte, deshalb sagte ich zu Istvan:
„Hättest du Lust einen kleinen Spaziergang zu machen?“ Er nickte, wischte sich die Hände an seiner Jeans ab und nahm mich bei der Hand. Für uns handelte es sich dabei weniger um eine romantische Geste, sondern um eine Notwendigkeit, die wenigen Gelegenheiten auszunutzen, am helllichten Tag Hand-in-Hand zu gehen, was in unserem Fall so gut wie nie möglich war. Bevor wir das Lager verließen, wandte ich mich noch einmal zu Jakov um und gab ihm einen Hinweis, der ihn strahlen ließ.
„Es gibt auch noch Kuchen. Jede Menge davon. Ganz unten.“
„Oh, toll! Danke dir“, meinte er amüsiert mit einem Zwinkern.
„Falsche Adresse, mein Lieber …, dank Serafina! Sie hat ihn für dich gebacken. Honigkuchen. Dein Lieblingskuchen, nicht wahr?“, sagte ich breit grinsend und machte mich an Istvans Seite aus dem Staub, ohne seine Antwort abzuwarten. Jakovs dunkle Augen hatten merklich aufgeleuchtet. Das war Antwort genug gewesen.
Auf einer nahen Lichtung machten wir es uns, einander zugewandt, auf einem umgefallenen Baumstamm bequem. Während unseres ganzen Gesprächs konnte ich nicht anders, als an der grob gezackten Rinde des Stammes herumzufummeln.
„Und?“, platzte es aus mir heraus. Er wusste sofort, worauf ich hinaus wollte.
„Wir haben geredet. Als ich damit angefangen habe, hat er zuerst versucht, mir den Arsch aufzureißen, damit er nicht mit mir über sie reden muss. Typisch Jakov eben!“, grummelte er kopfschüttelnd.
„Ja, ein klassischer Jakov. Aber hat er es dann zugegeben oder hat er sich rausreden wollen?“, fragte ich neugierig.
„Nein, nein. Er hat es schon zugegeben. Na ja, um ganz ehrlich zu sein, hab ich ihm dabei nicht wirklich eine Wahl gelassen. Ich habe ihm unmissverständlich klar gemacht, dass ich zu Serafina gehen werde, um ihr Bescheid zu stoßen, wenn er jetzt nicht mit der Wahrheit herausrückt … Für diesen Bluff habe ich eine Faust in den Magen kassiert“, schmunzelte er und hielt sich den Bauch.
„Von Prügeln war nie die Rede“, zischte ich, „ihr solltet nur miteinander reden. Von Mann zu Mann. Von Bruder zu …“ Ich stöhnte auf. „Was auch immer!“, murmelte ich. Ein großes Stück Rinde löste sich von Baum ab. Meine ungeduldigen Finger waren schuld.
„Hey, kein Grund, den Kopf hängen zu lassen. Nach dem schlimmsten Gerangel haben wir dann losgelegt. Mit dem Reden. Ich hätte die Prügel allerdings vorgezogen“, meinte er
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