Wolfsfieber - Band 2
ungeschickten Stolpern zu tun haben musste.
Tom hatte meine Hand immer noch nicht losgelassen, was mir etwas unangenehm war.
„Krieg ich sie wieder?“, fragte ich im Scherz und blickte auf meine Hand, die er fest umklammerte.
„Oh, ja. Sorry“, entschuldigte er sich und rieb sich verlegen den Nacken. Für den Sänger einer Band kam er mir etwas zu schüchtern vor, aber es machte ihn irgendwie sehr liebenswert. Auch sein Aussehen verstärkte diesen Eindruck. Tom war etwa Anfang zwanzig, etwas größer als ich und hatte ein nettes Lächeln. Seine braunen, zerzausten Haare ließen ihn noch jünger wirken, was aber gut zu ihm passte.
Während der Manager Manny wieder ging und kurz zum Abschied winkte, setzte ich mich auf einen Sessel den Jungs gegenüber. Das Trio schien mir ganz gut gelaunt zu sein, was das Interview einfacher machen würde. Als Tom sich dann wieder auf seinen Platz gesetzt hatte, zückte ich meinen Block und den Stift und wollte gerade meine erste Frage stellten, da sah ich, wie Felix sich zu Jürgen hinüberbeugte und ihm etwas zuflüsterte. Die beiden dachten, ich würde sie nicht hören, aber ich verstand jedes gemurmelte Wort, das Felix sagte, der Tom dabei amüsiert musterte. Felix flüsterte:
„Oh Mann, das dürfte interessant werden!“
3. Rückkehr mit Hindernissen
„Oh Mann, das dürfte interessant werden!“
Felix und Jürgen konnten sich kaum zusammenreißen. Sie kicherten und feixten albern herum. Ich verstand nicht, was sie mit ihrem Kommentar andeuten wollten, aber ich bekam ein seltsames Gefühl, das ich zu ignorieren versuchte. Ich klappte den Reporterblock auf und begann einfach mit dem Interview, ohne weiter auf diese Insider-Scherze der Musiker einzugehen.
„Also. Man rechnet euch zur Indie-Szene, aber wie würdet ihr eure Musikrichtung beschreiben?“, fragte ich und begann mit einer altbewährten Türöffner-Frage.
Während der Bassist noch zu sehr schmunzelte, um sich konzentrieren zu können, verpasste ihm Tom einen strafenden Blick und ging als Erster auf meine Frage ein.
„Im Grunde haben wir nichts dagegen, als Indieband zu gelten. Aber ich finde, dass unser Sound auch sehr viel Blues hat und sogar manchmal sehr alternativ sein kann. Wie bei ‚It’s just me‘!
Plötzlich wurde der vorher so nervös wirkende Tom zum Frontmann der Band und zum Interviewprofi. Die Wandlung war unübersehbar. Er genoss diese Seite des Musikerlebens ebenso wie die Bühnenauftritte.
„Wie habt ihr eigentlich als Band zusammengefunden?“, wollte ich von den dreien wissen.
Jürgen preschte vor und schrie förmlich:
„Bei Bier und Pizza. Wir haben im selben Lokal als Kellner gejobbt. So finanzieren wir unser Studium, obwohl wir jetzt nicht mehr oft auf der Uni sind“, erklärte er mit einem breiten Grinsen.
Ich fragte sie weiterhin nach ihrer Entstehungsgeschichte, den Plänen für die Zukunft, ihre interessantesten Bühnen-anekdoten.
Schon nach einer viertel Stunde hatte ich alles zusammen. Es war genug Material vorhanden, um „Young Blood“ interessant und wohlwollend darzustellen.
Ich wollte noch zum Abschluss von jedem wissen, welche Bands und Songs er am meisten schätzte. Diese Information brauchte ich noch für das Bandprofil, das derzeit nur unvollständig in unserem Online-Magazin abgebildet war.
Felix, der blonde Bassist, stand vor allem auf britische Indie-bands, während Jürgen, der zottelige Drummer, eher Hardrock und Metall-Bands zugetan war. Tom fiel etwas aus dem Rahmen.
„Weißt du, ich habe eigentlich einen sehr breiten Musikgeschmack. Ich mag Blues genauso gerne wie Rock, deshalb sind meine Lieblingsbands sehr unterschiedlich. Ich mag vor allem die Schweden und die Deutschen sehr. Besonders begeistert bin ich von ‚The Sounds‘, ‚Mando Diao‘ und den ‚Beatsteaks‘. Das ist aber nur ein winziger Ausschnitt von meinen Top 100“, scherzte er und lächelte mich auf eine merkwürdig vertraute Weise an, die mich irgendwie verunsicherte. Ich versuchte abzulenken und sagte:
„Eigentlich hätte ich dann alles und ihr könnt euch dann die andere Band noch ansehen. Danke euch, Jungs. Euer Auftritt hat mir übrigens wirklich gut gefallen. Vielleicht sehen wir uns ja einmal wieder.“
Die drei jungen Musiker lächelten mich an und gaben mir nach der Reihe die Hand, wobei Tom der Einzige war, der mir dabei nicht in die Augen sah.
Ich ging zurück vor die Bühne, wo die Hauptband bereits spielte. Normalerweise wäre ich noch
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