Wolfsfieber - Band 2
umarmen, was er mir nicht gestattete. Er war einfach zu sehr in sich gekehrt.
„Nein, kein Heilmittel“, wiederholte er emotionslos. Ich wurde verdammt wütend auf den Doktor, obwohl dieser nichts dafürkonnte. Dennoch schrie ich zornige Worte in das unbeteiligte Gesicht des Forschers, der mein Verhalten nicht nachvollziehen konnte.
„Und weshalb sollten wir dann kommen?“
Istvan übersetzte meinen Vorwurf in abgeschwächter Form. Seine Stimme veränderte sich jedes Mal gravierend, wenn er in dieser anderen Sprache redete.
Der Doktor murmelte etwas, dann wandte er seine Aufmerksamkeit Miriam und Woltan zu, die versucht hatten, nicht aufzufallen. Jetzt standen sie im Mittelpunkt des Interesses.
„Er wird es uns später erklären“, zischte Istvan und beantwortete meine Frage. „Jetzt will er erst Miriam erklären, wie sie von Woltan schwanger werden kann, ohne dass dabei ein Wolfskind entsteht“. Istvan versuchte sich wieder zusammenzunehmen und fungierte weiterhin als Sprecher. Der Doktor ließ ein neues Bild auf dem PC erscheinen und murmelte dazu ein paar aufgeregte, stolz klingende Worte. Auf dem Bild konnte ich nur eine runde, durchsichtige Kugel erkennen, die mich an einzellige Lebewesen erinnerten, die man in Bio-Büchern zu sehen bekam. Vielleicht sollte ich die anderen darüber in Kenntnis setzen, dass ich bloß eine Drei in Biologie hatte.
Um unbeteiligter zu wirken, übersetzte Istvan jetzt 1:1, wie ich nach einer Weile verstand.
„Nach einigen Misserfolgen hatte ich endlich den richtigen Ansatz. Einen Impfstoff. Aber es funktionierte einfach nicht. Ich machte den Fehler zu versuchen, die Mutter zu immunisieren, aber das gelang nicht, also konzentrierte ich mich auf das Kind. Nach einigen Jahren ist es mir gelungen, ein Impfserum zu generieren, das die Eizellen der Mutter vor dem Virus schützt. Jedes empfangene Kind wird daher vollkommen menschlich sein, da der Virus die Eizelle der Mutter nicht durchdringen kann. Leider hat der Impfschutz keinen Einfluss auf die Mutter selbst.“
Woltan und Miriam strahlten über beide Ohren. Woltan küsste sie liebevoll auf die Wange. Nach so vielen Jahrzehnten und nach seiner kinderlosen ersten Ehe sollte Woltan endlich Vater werden können, wie er es sich gewünscht hatte. Auch Valentin würde zufrieden sein, da der Familienfluch nicht weitergegeben werden würde.
„Nebenwirkungen?“, fragte Woltan schnell nach.
Der Doktor bestätigte ihm:
„Keine Nebenwirkungen bekannt“. Dann waren beide nur noch überglücklich und vergrößerten damit ungewollt Istvans Groll. Der Doktor nahm eine Spritze aus dem Kühlschrank und fragte, ob er Miriam gleich impfen sollte. Plötzlich erwachte der Mumm in diesem kleinen, zierlichen Mädchen. Sie schob den Ärmel ihres Hemdes zur Seite, ohne auch nur einmal zu zögern, dann stach der Doktor die Nadel in ihre Haut und brachte das Serum in ihren Körper.
Von diesem Moment an zogen sich Woltan und Miriam zurück und lauschten nur noch mit halbem Ohr den Geschehnissen. Istvan und ich standen verloren vor dem Tisch mit dem Laptop.
„Jetzt zu Ihnen“, übersetzte Istvan, während der Doktor zwei Spritzen auf die hitzebeständigen Kacheln des Tisches legte.
„Das ist alles, was ich Ihnen anbieten kann. Valentin hat sehr hohe Ansprüche, wenn es um Ihr Anliegen geht. Doch wie gesagt, ein Heilmittel kann ich Ihnen nicht geben. Aber als mir Valentin von Ihrer menschlichen Freundin berichtet hat, kam ich auf eine andere Idee, die interessant für Sie sein dürfte“, übersetzte Istvan, als wäre er bloß ein Empfänger und Sender und würden die Worte des Doktors nicht sein Wesen erreichen. Dieser Zustand machte mir Angst, aber ich musste wissen, wovon der Doktor sprach.
„Ich habe viele Experimente mit dem Virus, das sie Gift nennen, angestellt, und zuerst wollte ich es benutzen, um etwas über die verblüffende Wirkung auf den Alterungsprozess he-rauszubekommen. Aber schnell stellte ich fest, dass bestimmte andere Komponenten der Krankheit mit der verzögerten Alterung zusammenhängen, die man nicht voneinander trennen kann. Das war ein herber Rückschlag für meine eigenen Forschungen“, übersetzte Istvan schnippisch. Es ging ihm auf die Nerven, dass der Doktor so freudig über all diese Dinge plauderte, die unser aller Leben so immens erschwerten. Dennoch fuhr er fort.
„Doch da begriff ich, dass ich mit bestimmten Komponenten des Virus herumexperimentieren konnte. Und einer dieser Versuche hatte ein
Weitere Kostenlose Bücher