Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Adelmann
Vom Netzwerk:
Arme fiel, der ihn verwandeln könnte.
    Ich konnte mir also abschminken, dass er durch eine Nach-
    lässigkeit in seine Wolfsgestalt gezwungen werden würde.
    Wieder eine verlorene Hoffnung. Der Minutenzeiger der
    Uhr hatte sich kaum bewegt und dennoch waren bereits vier
    Minuten vergangen. Selbst die Zeit schien gegen mich zu
    sein, und alles arbeitete offenbar für dieses Monster: meine
    menschlichen Schwächen, meine Fesseln, die Tatsache, dass
    Istvan keine Ahnung hatte, wo ich war, oder auch nur ahnte,
    dass ich ihn Gefahr schwebte. Das Schicksal selbst schien
    sich gegen mich und den Mann, den ich liebte, gewendet
    zu haben. Wie bekämpfte man das Schicksal? Mit Mut? Mit
    unbegründeter Hoffnung oder gar mit Glaube? Doch woran
    jetzt noch glauben?
    Das Einzige, was mir einfiel, woran ich glauben konnte,
    war die Hoffnung, ihn wiederzusehen, auch wenn es eine
    trügerische Hoffnung war, die bedeutete, dass das Ende und
    die Trennung nahe waren, war es das Einzige, worauf ich
    hoffen konnte. Wir würden noch einen Monat zusammen
    haben, ahnungslos, immer noch verliebt, bevor die Katastro-
    phe über uns hereinbrechen würde. Ich fügte mich also. Was
    anderes blieb mir übrig, allein hier in diesem dunklen Raum
    sitzend mit dem Monster an meiner Seite. Ich würde leben,
    30 Tage lang. Ich würde ihn, trotz etwaiger Zweifel, lieben.
    Das musste reichen. Es würde reichen.
    05.15 Uhr. Vielleicht noch eine Viertelstunde, vielleicht
    auch weniger. Bald würde ich nicht mehr hier sein, dafür
    konnte ich dankbar sein. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich die
    ganze Nacht nicht geschlafen hatte und dennoch hellwach
    war. Fühlte man sich immer so in den Stunden, in denen man
    255

    bewusst mit dem eigenen Tod konfrontiert wird? Ich würde es
    bald herausfinden.
    Er schien nicht mehr warten zu wollen, obwohl die Sonne
    noch nicht mal anfing aufzugehen. Er wurde ungeduldig. Ein
    Teil seines tierischen Wesens. Seine Gestalt erkannte ich nur
    noch verschwommen vor meinen Augen, nur die Spritze sah
    ich ganz deutlich, wie beides immer näher auf mich zukam.
    Er war ganz stumm, beinahe mechanisch. Alles war gesagt,
    jetzt musste er es nur noch tun. Ich wartete darauf, dass Pa-
    nik in mir ausbrach oder dass ich anfing zu schreien. Aber
    nichts. Ich war vollkommen apathisch. Ich schloss meine
    Augen. Ich wollte nicht sehen, wie er meine Hand umfasste,
    um mir genüsslich die Spritze in den Arm zu jagen. Ich woll-
    te gar nichts mehr sehen. Es war schon genug, seine Nähe
    spüren zu müssen. „Bald ist es vorbei. Bald überstanden“,
    das sagte ich mir in Gedanken immer wieder, obwohl ich mir
    selbst nicht glaubte. Das Einzige, was ich hinter meinen ge-
    schlossenen Lidern wahrnahm, ganz deutlich, waren seine –
    waren Istvans Augen und der Klang seiner Stimme, nahe bei
    mir. Sein geistiges Bild vor Augen fing ich an, meine eigenen
    Lügen zu glauben: „Bald ist es vorbei. Bald überstanden!“
    Ich dachte zuerst, die Spritze würde das klirrende Geräusch
    auf mir verursachen, aber das war vollkommen unmöglich. Es
    war eindeutig zerspringendes Glas. Der Schock des Geräu-
    sches veranlasste mich, automatisch die Augen aufzureißen.
    Alles ging wahnsinnig schnell. Das Erste, was ich mit mei-
    nen entsetzten Augen wahrnahm, war, dass ein Wolf durch
    das Fenster gesprungen war und jetzt mitten im Raum stand.
    Der Sprung des Wolfes hatte den Vorhang heruntergerissen
    und das spärliche Mondlicht, das der fast anbrechende Mor-
    gen vertreiben würde, schien jetzt in den Raum. Jetzt erst sah
    ich ihn. Farkas hatte sich reflexartig in die Ecke gedrängt. Zu
    spät, ein schwacher Strahl des Mondlichtes erfasste seine
    Haut und er verwandelte sich. Es war jedoch nicht wie die
    Verwandlung von Istvan. Zögerlich, mit Gegenwehr und von
    256

    Schmerzen begleitet. Es schien eher wie eine natürliche Re-
    aktion auf das Licht, der er sich gar nicht entziehen konn-
    te. Ehe ich noch irgendwie reagieren konnte, fing er an sich
    zu krümmen und binnen einer Minute war er schon um die
    Hälfte geschrumpft. Nur noch eine kurze Zeit und er wäre
    der Wolf, den er über alles andere stellte. Auch wenn er das
    erste Mal in seinem Leben die Wolfsverwandlung nicht her-
    beigesehnt hatte. Farkas blieb keine Wahl. Der zweite Wolf
    nutzte die kurze Ablenkung aus und kam auf mich zu. Da
    erst erkannte ich ihn. Meine Augen waren noch zu sehr an
    die Dunkelheit gewöhnt, um ihn gleich zu erkennen. Doch
    jetzt – diese grünen, glänzenden Augen und

Weitere Kostenlose Bücher