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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Adelmann
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oder was bist du?“
    Ich wiederholte die Frage noch mal, diesmal mit mehr
    Dringlichkeit in der Stimme. Es gab seinerseits keinerlei Be-
    reitschaft zu antworten. Er stand noch immer dicht vor mir,
    in die Ecke gedrängt, und versuchte vergeblich, die Arme,
    die sein vermeintliches Geheimnis preisgaben, unter seinen
    Achseln zu verstecken. Zwecklos. Denn ich hatte bereits ge-
    sehen, was ich nicht sehen sollte. Sein Anblick war kaum zu
    ertragen, doch ließ ich mich davon nicht abhalten. Ich muss-
    te wissen, was mit ihm nicht stimmte, was es mich auch
    kosten würde. Ich überlegte, wie es mir gelingen könnte, ihn
    dazu zu bringen, mir sein Geheimnis anzuvertrauen. Sollte
    ich ihn beruhigen und versuchen, sein Vertrauen zu gewin-
    nen? Nein, das würde nicht funktionieren. Sollte ich ihm
    vielleicht drohen? Wie könnte ich das? Schließlich hatte ich
    ihn angefahren und lauerte ihm jetzt auch noch in seinem
    eigenen Zuhause auf. Er hatte mir vor nicht mal fünf Mi-
    nuten noch seine besänftigende Umarmung gegeben. Wie
    könnte ich ihn da jetzt angreifen oder ihm gar wehtun?
    Ein Bluff. Ja, das ist es, dachte ich und handelte sofort.
    Ich kramte in meiner Hosentasche und zog das silberne
    Handy hervor, das er schon letzte Nacht nicht gerne gesehen
    hatte. Sein Blick verfinsterte sich und seine grünen Augen
    funkelten mich erschrocken an. Mein Magen verkrampf-
    te beim Anblick seines verzweifelten Ausdrucks. Doch ich
    durfte mich davon nicht ablenken lassen, sonst würde ich
    nie wieder den Mut haben, mein Vorhaben durchzuziehen,
    um so das Geheimnis, das Istvan umgab, zu lüften.
    Mit aufgesetztem, hartem Blick und fester Stimme stellte
    ich ihn zur Rede.
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    „Wenn du mir nicht bald sagst, was mit dir nicht stimmt,
    dann werde ich dieses Handy benutzen, um einen alten
    Bekannten anzurufen. Er ist der Polizeikommandant unse-
    rer Gegend. Ich werde ihm dann erzählen müssen, wie ich
    dich gestern Nacht angefahren habe. Und danach mache
    ich einen weiteren Anruf in der Redaktion, um zu ver-
    künden, dass ich einen, sagen wir mal, Mann angefahren
    habe, der offenbar übermenschliche Selbstheilungskräfte
    besitzt.“
    Ich war über mich und meine eigenen Worte erschrocken.
    Wie konnte ich nur so kalt sein, und das gerade zu ihm? Aber
    ich durfte nun keine Schwäche zeigen, sonst würde er mei-
    nen unfairen Bluff sofort durchschauen. Ich musste mich
    ohnehin sehr zusammennehmen, um diesen verzweifelnden
    Mann nicht in meine Arme zu reißen und zu trösten.
    Er sprach immer noch nicht. Vollkommen stumm und
    mit panischer, in sich gekehrter Miene starrte er mich an,
    wie ein Wesen aus einer fremden Welt.
    „Bitte!“, flehte ich. „Sag mir, was los ist, oder ich muss
    diese Anrufe machen. In 10, 9, 8, 7 …“
    Ich zählte langsam und deutlich, wobei ich meinen Dau-
    men immer näher an die Tasten des Handys führte.
    „6, 5, 4, 3, 2 … Verdammt, dir läuft die Zeit weg, Istvan!
    Rede mit mir, bitte!“ Mein letztes „Bitte“ war eigentlich nur
    noch ein leises Flehen.
    Plötzlich durchbrach seine wunderbar samtene Stimme
    mit dem dezent rauen Unterton die Stille des Raums und die
    Starre seines Körpers.
    „Gut. Ich sage dir, was du wissen willst, auch wenn du
    es noch bereuen wirst, dass du mich dazu zwingst. Aber nun
    steck das verdammte Ding wieder weg.“ Dabei deutete er auf
    mein Klapphandy. Ich gehorchte sofort und ließ es zurück in
    meine Tasche gleiten.
    Seine ganze Körperhaltung hatte sich verändert, während
    er mich ansprach, so als ob er eine Entscheidung getroffen
    hätte, die sein ganzes Wesen verändern würde. Er war wie-
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    der derselbe Mann, den ich in der Küche besorgt gepflegt
    hatte, der mir vertraut vorkam wie ein Freund.
    „Ich verspreche dir, du bekommst deine Antworten. Aber
    du musst mir schwören, dass du niemandem etwas über letz-
    te Nacht erzählst. Absolut niemand darf jemals wissen, was
    gestern passiert ist. Versprich es mir!“, forderte er mich ernst
    auf. Ich musste nicht mal eine Sekunde überlegen. Ich hatte
    nie vorgehabt, irgendjemandem davon zu erzählen.
    „Ich schwöre es dir. Du hast mein Ehrenwort“, versicher-
    te ich ihm aufrichtig.
    Er schien mir zu glauben, denn sofort nahm er mich bei
    der Hand und führte mich durch sein Haus und gab mir
    dabei zu verstehen:
    „Komm mit! Ich möchte es dir im Garten sagen. Dort hast
    du die Möglichkeit sofort wegzulaufen, wenn du das willst.
    Du sollst keine Angst haben, dass ich dir etwas antun

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