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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Adelmann
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üblich, und wollte nicht mit völlig zerzausten
    Haaren bei ihm ankommen. Also zwirbelte ich meine Haare
    zusammen und stecke sie mit einer Klemme hoch. Ich nahm
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    kein Handy mit, nichts sollte die heutige Nacht stören. Ich
    verschloss das Haus und steckte den Schlüssel in die Man-
    teltasche. Plötzlich war ich innerlich ganz ruhig. Ich konnte
    nicht sagen, woher diese Ruhe gekommen war, damit hatte
    ich nicht gerechnet. Den ganzen vertrauten Weg lang hielt
    dieses Gefühl an, so als wäre es einer der anderen Besuche,
    nicht weiter außergewöhnlich. Ich vermutete, es hätte etwas
    mit Selbstschutz oder Verdrängung zu tun.
    Doch als ich vor seinem Haus stand, im Garten, und nach
    der Türklinke griff, war es vorbei mit der Ruhe. Mein Ma-
    gen krampfte sich nervös zusammen und ich wusste, ich war
    noch nicht soweit, ich war zu aufgeregt. Ich ließ das Me-
    tall unter meinen Fingern wieder los und ging zurück zum
    Gartentor, das ich ebenfalls nicht durchschreiten konnte.
    Ich stand also mitten im Garten zwischen der Entscheidung:
    gehen oder bleiben. Beides konnte ich nicht. Ich hoffte in-
    ständig, dass seine Sinne mich noch nicht bemerkt hätten,
    dass er nichts von meinem Zaudern mitbekäme. Er sollte auf
    keinen Fall sehen, wie unschlüssig und lächerlich ich mich
    benahm. Ich ging wieder zurück zum Haus, machte ein paar
    tiefe Atemzüge und öffnete die Hintertür. Er stand nicht
    sofort vor mir, wie meistens. Das machte es etwas leichter,
    langsam den Flur entlangzugehen. Ich ging nicht direkt ins
    näher gelegene Schlafzimmer, das wäre zu forsch gewesen.
    Das Wohnzimmer schien mir als erster Treffpunkt viel be-
    ruhigender und dort fand ich ihn auch. Er stand mitten im
    Zimmer, wie es seine Angewohnheit war. Es brannten keine
    Lichter. Istvan hatte aber zwei Kerzenleuchter angezündet,
    sodass der Raum in ein warmes Kerzenlicht getaucht war.
    Das flackernde Licht erlaubte mir nicht, aus der Entfer-
    nung seinen Gesichtsausdruck genau zu beobachten. Er war
    schweigsam, begrüßte mich nicht einmal. Ob er ebenso auf-
    geregt war und seine Aufregung ihn verstummen ließ? Ich
    wusste es nicht. Was ich wusste, war, dass ich in seine Augen
    sehen musste, um darin zu lesen, aber dazu musste ich näher
    kommen. Ich näherte mich Istvan langsam und vorsichtig.
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    Mit jedem Schritt, den ich auf ihn zutat, pochte mein Herz
    etwa lauter, aber er grinste deswegen nicht, wie er es sonst
    tat. Das beunruhigte mich. Er trug nur ein helles Baumwoll-
    hemd mit aufgekrempelten Ärmeln und eine Jeans. Durch
    das Kerzenlicht schimmerte die Farbe seiner Haut durch das
    leichte Hemd hindurch. Als ich mich ihm auf Armlänge ge-
    nähert hatte, bemerkte ich seinen durchdringenden Blick,
    der mir den Atem erneut verschlug. Seine grünen Augen
    schimmerten durch das diffuse Licht fast dunkel. Ich konn-
    te fühlen, wie mir das Blut in die Wangen schoss und meine
    Haut brennen ließ. Würde er mich jetzt berühren, käme ich
    ihm fast genauso heiß vor wie er mir?
    Es gab also wieder dieses unerträgliche Schweigen zwi-
    schen uns. Nur, dieses Mal löste es nicht das Unbekannte
    aus, das unergründlich vor uns lag, sondern die Gewissheit
    dieser Nacht, die uns beide verlegen machte.
    Ich konnte nicht sagen, was diesen Schwebezustand
    durchbrochen hatte, doch völlig aus dem Nichts kam er auf
    mich zu. Ich dachte, so stürmisch, wie er auf mich wirkte,
    würde er mich an sich reißen und dann küssen. Doch es sollte
    anders kommen. Istvan stürmte zwar auf mich zu, doch dann
    umarmte er meine Hüfte und presste mich gegen seinen war-
    men Körper, den ich selbst durch den dicken Mantel deutlich
    fühlen konnte. Meinen Kopf legte ich zwangsläufig in den
    Nacken, um in sein Gesicht sehen zu können. Er starrte mich
    lang an, mit einem angestrengten, fast schon schmerzhaften
    Ausdruck. Sein linker Arm umklammerte weiter meine Hüf-
    te, während seine rechte Hand hinter meinen Kopf fuhr, um
    die Klammer aus meinem Haar zu lösen. Meine Haare schie-
    nen mir plötzlich tonnenschwer auf den Rücken zu fallen. Er
    nahm sie wieder zwischen seine Finger, hielt sie in meinem
    Nacken zusammen und schnupperte daran. Dafür musste er
    seinen Kopf auf meine Schulter legen. Die leichte Berührung
    mit meiner Haut raubte mir den Atem und beschleunigte
    meinen Puls erneut. Er flüsterte mir mit seiner tiefen Stim-
    me, die er anscheinend wiedergefunden hatte, ins Ohr:
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    „Der Duft deiner Haare zusammen mit deinem Herzra-
    sen!

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