Wolfskrieger: Roman (German Edition)
Er war keine Hilfe. Loptr war nach allem, was er gesehen hatte, viel zu verängstigt, um irgendetwas zu tun. »Geh auf keinen Fall in Mutter Disas Haus«, ermahnte Vali ihn und machte sich auf den Weg zum Strand.
Als er dort ankam, verriet ihm ein Schuh alles, was er wissen musste. Er lag an der Stelle, wo sich der Weg im Sand verlor. Genau da, wo jemand, der die Verfolgung aufgenommen hatte, ihn sofort bemerken musste. Er gehörte Adisla, es war ein guter Schuh aus grünem Leder, den sie getragen hatte, um ihn nach seiner Reise willkommen zu heißen. Offenbar hatte sie ihn absichtlich abgestreift.
Er war um eine Winzigkeit zu spät gekommen. Das Langschiff war noch nicht weit vom Ufer entfernt. Adisla konnte er nicht entdecken, doch auf dem Boot befanden sich etwa zwanzig Krieger. Drengis Worte waren immer noch nicht richtig zu ihm durchgedrungen: »Vali, sie haben sie gesucht.« Er war voller Hass und begriff nicht, was er gehört hatte.
»Kommt zurück, ihr Feiglinge«, rief er. »Ich bin nur einer, und ihr seid zwanzig. Habt ihr trotzdem Angst vor mir?«
Die Dänen antworteten nicht, denn sie waren vollauf mit dem Segel beschäftigt. Aber dann sah er einen Moment lang Adisla. Sie sträubte sich, wollte über Bord springen und wegschwimmen. Jemand zog sie grob ins Boot zurück.
»Ich finde dich!«, schrie er, während er ins Wasser lief. »Und wenn ihr Dänen Adisla etwas antut, dann werde ich euch tausendmal schlimmer heimsuchen, euch und eure Verwandten! Ich bin Vali, Sohn des Authun, ich bin euer Tod!«
Vali verlor jede Hoffnung. Es war unmöglich, sie zu verfolgen. Gabelbarts Langschiffe waren im Süden, wo die Versammlung stattfand. Hier hatten sie nur noch ein paar Färinge – kleine Küstenboote mit vier Rudern –, die nicht in der Lage waren, ein Kriegsschiff zu verfolgen.
Wie konnte er sie finden? Er würde es in Haithabu versuchen. Das war der Markt, auf dem letzten Endes jeder Sklave landete, der nach Dänemark kam. Er konnte sie freikaufen, falls er von seinem Vater genügend Geld erbitten konnte, oder falls Gabelbart ihm etwas lieh. Dann fiel ihm ein, dass er den Berserker hatte. Er würde aus dem Mann herausholen, was er wissen musste. So kehrte er zum Schlachtfeld zurück.
Bjarki war nicht in der Lage, irgendwelche Fragen zu beantworten. Die Drogen, das Bier und der Schlag auf den Kopf hatten ihm die Sinne verwirrt. Der Mann konnte nur noch fluchen und geifern. Im Augenblick war er sicher, aber Vali fragte sich, wie lange er überleben würde, wenn er den Einwohnern in die Hände fiel. Er musste das Leben des Berserkers beschützen, wenn er Adisla finden wollte. Der Mann war allerdings zu schwer, um ihn ohne Hilfe irgendwohin zu schleppen. Glücklicherweise kehrte Bragi mit zwei Bauern zurück, die Gudfastr und Baugr hießen. Loptr war bei ihnen. Also hatte der Junge doch noch seinen Auftrag erfüllt.
»Wie ist die Lage?«, wollte Vali wissen.
»Sie sind erledigt. Ein Schiff haben wir erbeutet, also war es ein lohnender Tag.« Bragi wirkte nicht ganz so erfreut, wie Vali es erwartet hätte.
»Sie haben Adisla verschleppt. Mutter Disa und alle anderen aus ihrem Haus sind tot, soweit ich es sagen kann.«
Bragi sperrte den Mund auf. »Sonst noch jemand?«
»Ich weiß es nicht. Sie hatten es eilig, also hat es wohl nicht so viele getroffen. Den da haben sie auch nicht mitgenommen. « Er nickte in Richtung des Burschen, der Vali mit großen erschrockenen Augen anstarrte.
»Ja, sie hatten es eilig, sonst hätten sie den Jungen nicht zurückgelassen. Er hätte auf dem Sklavenmarkt einen guten Preis erzielt. Willst du dich rächen, Loptr?«
Der Junge sagte nichts und ging hinter Baugr in Deckung.
»Holt den Berserker ins Dorf«, befahl Vali. »Er muss mir einige Fragen beantworten. Sagt mir Bescheid, sobald er sich erholt hat. Und teilt den Leuten mit, dass auf meine Anordnung keine Feier stattfinden soll, bis Gabelbart zurückkehrt. Sie sollen Wachen aufstellen. Zwei Drakkare sind entkommen und könnten zurückkehren, wenn sie glauben, wir wiegten uns in Sicherheit.«
Er ging den Hügel hinunter ins Tal.
»Wohin willst du?«, rief Bragi ihm hinterher.
»Zu Mutter Jodis«, erwiderte Vali.
20
Ein schwerer Weg
M utter, ich bin es. Mutter?«
Jodis’ Haus war viel kleiner als Disas Gehöft – kaum mehr als eine Hütte, die halb in der Erde versenkt war. Die Wände waren gerade einmal hüfthoch. Dank des flachen, mit Gras bedeckten Dachs konnte man sie erst sehen, wenn man direkt
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