Wolfskrieger: Roman (German Edition)
davorstand.
Vali klopfte an. »Mutter, ich bin es. Es ist alles gut, sie sind fort.«
Die Tür ging auf, und Jodis spähte heraus. Sie zitterte, obwohl sie versuchte, es nicht zu zeigen.
»Wie viele sind tot?«
»Ich weiß es nicht. Es hätte noch viel schlimmer kommen können. Wir haben sie jedoch besiegt, und jetzt sind sie fort.«
Jodis wischte sich die Tränen aus den Augen. »Was ist mit Adisla und Mutter Disa?«
»Deshalb bin ich hier«, sagte er. »Ich …«
»O Freya, behüte sie.« Jodis ahnte schon, dass ihnen etwas zugestoßen war. »Was ist passiert?«
»Mutter Disa ist tot, Adisla haben sie verschleppt«, berichtete Vali.
Jodis konnte die Tränen nicht länger zurückhalten.
»Ich werde die Erste rächen und die Zweite finden«, versicherte Vali ihr.
Wieder warf sie ihm den seltsamen Blick zu, mit dem sie ihn bedacht hatte, als sie erfahren hatte, dass Gabelbart Adisla hängen wollte, doch dann nahm sie sich zusammen. Sie mochte Vali sehr, hatte ihn aber bislang für einen Nichtsnutz gehalten. Die Gefangennahme des Wolfsmanns hatte allerdings gezeigt, dass dies wohl nicht zutraf.
»Weißt du, wohin sie gefahren sind oder wer es überhaupt war?«
»Ich nehme an, sie wollen früher oder später nach Haithabu. Es waren Dänen – Haarik und seine Männer.«
»Sie könnten Adisla auch zu seinem Hof mitnehmen, sie im Osten verkaufen oder wer weiß was sonst noch alles mit ihr anstellen. Sie könnte überall und nirgends sein.«
»Deshalb bin ich hier«, sagte Vali.
Jodis sah ihn verständnislos an. »Du sollst Mutter Disas Magie wirken. Sie hat mich zum Wolfsmann geführt, jetzt kann sie mich zu Adisla führen.«
Jodis schüttelte den Kopf. »Das habe ich noch nie gemacht. Mutter Disa hatte eine Begabung dafür, ich habe ihr nur geholfen.«
»Aber du weißt, wie man es anfangen muss?«
»Das schon, allerdings könnte ich es nicht, selbst wenn ich wollte. Die Feuerkräuter sind alle verbraucht. Sie wachsen nur im Frühjahr und sind sehr selten. Wir können in den nächsten Monaten keine neuen ernten.«
»Sind die Kräuter denn unbedingt nötig?«
»Ja.«
Vali schnaufte schwer. Er war nicht sicher, ob der Berserker unter Folter tatsächlich etwas Brauchbares verraten würde, was ihn aber nicht davon abhalten würde, es wenigstens zu versuchen. Wusste der Berserker überhaupt irgendetwas? Er war erst vor kurzem angeheuert worden. Wenn Gabelbart mit Berserkern einen Raubzug durchführte, hielt er das Ziel geheim, bis sie auf See waren, damit die Söldner nicht allein hinfuhren. So gern er Informationen aus Bjarki herausgeprügelt hätte – Vali musste annehmen, dass der Mann einfach nichts wusste.
»Gibt es keinen anderen Weg?«
Jodis zuckte mit den Achseln.
»Was denn?«, drängte Vali.
»Es gibt einen, aber das wird dich umbringen.«
»Was muss ich tun?«
»Du musst Odin im Sumpf treffen.«
»Was bedeutet das?«
»Seit ich ein kleines Mädchen war, hat es niemand mehr gewagt, aber wenn dir die Prophezeiung wichtig genug ist, kannst du es versuchen. Du gehst zum Grimnirsumpf, lieferst dich dem Gott der Gehenkten und der Ertrunkenen aus und fragst ihn nach dem, was du wissen willst.«
»Wie kann ich das tun?«
»Indem du ertrinkst«, sagte Mutter Jodis.
»Aber wie nützt mir die Prophezeiung noch etwas, wenn ich dabei sterbe?«
»Du gehst bis zum Rande des Todes und feilschst mit den Göttern um dein Leben. Du bietest ihnen an, was du hast, und wenn es ihnen gefällt, nehmen sie es und sagen dir, was du wissen musst.«
»Was kann ich einem Gott schon bieten?«
»Dein Leiden«, erklärte sie.
Vali schob das Kinn vor und nickte knapp. »Hast du es schon einmal getan?«
»Das nicht, aber ich habe einmal dabei zugesehen. Es ist schon viele Jahre her. Prinzessin Heithr ist in den Sumpf gegangen.«
»Ich dachte, das wäre nur ein Ammenmärchen. Hatte sie Erfolg?«
»Sie hat vier Verräter am Hof ihres Vaters bloßgestellt und herausgefunden, wo sich Thjalfis Schatz befand.«
»Haben sie ihn wirklich gefunden?«
»Ja, sie haben ihn gefunden. Die Prinzessin hatte allerdings nichts mehr davon. Die Qualen haben sie umgebracht.«
Vali legte eine Hand auf das niedrige Dach und dachte nach. Was war das Leben denn schon ohne Adisla? Irgendwann musste jeder sterben, und die einzige Frage war, wann es geschah. Aber nur ein Narr würde sein Leben sinnlos wegwerfen.
»Kannst du es tun? Ich will mich nicht umsonst opfern, Mutter.«
»Es ist recht einfach, und die Frage ist eher, ob du
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