Wolfskrieger: Roman (German Edition)
es überhaupt schaffst. Im heiligen Sumpf, im Grenzland zwischen Erde und Wasser, kannst du leicht ertrinken. Es ist ein Tor, das zu anderen Orten in den neun Welten führt. Du hast nur deine Willenskraft als Hilfe, um den richtigen Weg zu finden. Du brauchst nicht mehr Vorbereitung als ein Krieger, der im Kampf fällt und nach Walhalla gelangen will.«
Vali nickte knapp. »Wie lange wird es dauern?«
»Wer weiß? Du musst ertrinken und wieder zu dir kommen. Es könnte schon beim ersten Mal gelingen, vielleicht erst beim zehnten Mal, vielleicht nie. Es ist nicht leicht, sich zu überwinden, in das Wasser zurückzukehren, so sehr du auch die Antwort bekommen willst. Du wirst dagegen ankämpfen, also musst du gefesselt werden.«
Vali hatte geschworen, Odin um nichts zu bitten, doch diese besondere Lage hatte er nicht vorhersehen können.
»Ich werde es tun«, beschloss Vali.
»Es gibt da noch etwas«, warnte Jodis ihn. »Die Götter sind nicht die Einzigen, die dich in den neun Welten erwarten. Wir werden dich mit einer Schlinge ausstatten. Dieses Symbol hilft dem Gott, dich zu finden. Wenn du aber die Bande zerreißt oder beginnst, wie ein Riese oder eine Hexe zu sprechen oder noch Schlimmeres tust, dann werden wir die Schlinge zuziehen und dich töten. Lass dich nicht mit den Riesen ein, Vali, und auch nicht mit den anderen Ungeheuern, die dir da unten begegnen.«
»Hole das Seil«, sagte Vali. »Wenn dies die einzige Möglichkeit ist, dann muss es eben sein.«
»Du brauchst Männer, die dir helfen, ins Wasser und wieder herauszukommen. Auch wenn du die Fesseln trägst, muss dich jemand unten halten«, erklärte Jodis. »Ich bin nicht stark genug, um dich zu erwürgen, und nicht entschlossen genug, um dein Leiden mit einem Messer abzukürzen. «
»Ist dein Enkelsohn da drin?«
»Ja, er ist hier.«
»Schicke ihn zu Hogni und Orri«, sagte Vali. »Komm jetzt. Wir müssen beginnen.«
21
Der Totenteich
E r war natürlich schon einmal am Teich gewesen. Das Sumpfloch befand sich in einer Senke im unteren Hügelland, nicht weit von Jodis’ Hof entfernt. In den vergangenen Jahren waren im Grimnirsumpf Gefangene und Opfer zu den Göttern geschickt worden, doch niemand war mehr dort gestorben, seit die Prinzessin vor vielen Jahren ihre Antwort gesucht hatte. Die Kinder kannten allerdings die Überlieferungen, und es hieß, in der Nacht gingen am Gewässer die Geister lange verstorbener Könige und Krieger um.
Es lief Vali kalt den Rücken herunter, als er sich setzte und auf Hogni und Orri wartete. War es ein Wind, der vom Meer kam, oder war es ein tieferes Gefühl? Wie viele waren hier schon gestorben, und aus welchen Gründen? Verliehen Orte wie der Sumpf dem Tod eines Menschen wirklich eine besondere Bedeutung, oder bekam er nur eine Gänsehaut, weil kindische Erinnerungen erwachten? Uralte Geschichten, mit denen man sich in den langen Winternächten gegenseitig einen Schrecken einjagte?
Ihm war sehr kalt. Von See her waren Wolken aufgezogen, hatten den Himmel eisengrau gefärbt und Regen mitgebracht. Er wünschte, er hätte seinen Mantel dabei, doch dann wurde ihm klar, dass ihm bald noch viel kälter werden würde. Aber welche Rolle spielte sein Unbehagen schon? Hatte Adisla einen Mantel, der sie auf dem Boot vor dem Regen schützte? Was geschah mit ihr? Er wollte nicht weiter darüber nachdenken. Für jede Unbequemlichkeit und Misshandlung, die sie erlitt, sollten diejenigen, die es ihr antaten, hundertmal mehr leiden. Er schwor sich, dass keine Qual ihn beirren würde, bis er Adisla gerettet hatte. Als er sie auf dem Langschiff gesehen hatte, war sein Leiden schon so groß gewesen, dass es größer kaum werden konnte.
»Herr, das war ein ruhmreicher Sieg.« Hogni legte ihm eine Hand auf die Schulter.
»Die Dänen haben die Flucht ergriffen«, bekräftigte Orri, »und der Ruhm für den Sieg gebührt dir allein.«
»Die Loblieder müssen warten«, widersprach Vali. »Erst gilt es noch, eine andere Schlacht zu schlagen.« Er nickte in Richtung des Wassers.
Es war nur ein Teich, sagte er sich. Ein Ding eben, das er zu einem bestimmten Zweck benutzen wollte, wie man einen Pflug oder ein Schwert benutzte.
Hogni und Orri betrachteten die Schlinge, die Jodis mitgebracht hatte, das Symbol Odins oder der Neunerknoten, falls man ihn so nennen konnte. Das Halsband des Herrn der Toten bewegte sich nur in eine Richtung. Sobald es zugezogen war, konnte man es nur noch mit dem Messer entfernen. Die Männer
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