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Wolfslegende

Wolfslegende

Titel: Wolfslegende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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Verstand gesickert war, fragte Hidden Moon: »In Jerusalem?«
    »Ja, aber es muß ein Doppelgänger des Kelchhüters gewesen sein. Der echte Landru ist unversehrt. Er schart gerade sonderbare Gestalten um sich, die er anschließend nach Jerusalem führen soll ...«
    »In wessen Auftrag?«
    »In Gabriels Auftrag - auf Satans persönlichen Befehl .«
    Offenbar wollte er noch mehr dazu erläutern, aber in diesem Augenblick ging ein solcher Ruck durch seine greisen Knochen, daß die beiden Arapaho ihm schon entgegeneilten, um ihn vor einem Sturz zu bewahren.
    Er wehrte sie und hielt sich mühsam auf den Beinen.
    Von draußen wehten Schreie durch ein offenstehendes Fenster herein. Nein, keine Schreie . Heulen!
    Hidden Moons Haut schien sich wie unter einem jähen Kälteschock zusammenzuziehen. Er sah nur noch zu Chiyoda, der sichtbar um seine Fassung rang. Und nicht nur das: Der sich verwandelte! Aus dessen verklärt-friedfertigen Zügen hervorbrach, was Jahrzehnte darunter geschlummert und ihn in Sicherheit gewiegt hatte!
    Nun aber, zu einer Stunde, einem Tag, an dem er geglaubt hatte, den Fluch nicht fürchten zu müssen, riß dieser alle Blockaden und Barrikaden nieder, die Chiyoda in sich errichtet hatte. Die Dämme brachen mit einem Geräusch, das nur Chiyoda selbst und einige seiner eifrigsten Schüler in dieser Weise zu hören bekamen. Für Hidden Moon und Makootemane, die in diesem Moment bei ihm waren, spielte sich die Katastrophe in den Köpfen der Betroffenen fast lautlos ab.
    Bis er in den Gesang einstimmte: den Gesang der Wölfe. Den Chor der Männer und Frauen, die in diesen Sekunden alles von sich warfen, alles vergaßen, wofür sie sich kasteit hatten.
    Und das Heulen, das von draußen kam, schwoll immer lauter an und entfachte das anfangs noch schwache, kaum erkennbare Feuer in Chiyodas Augen.
    »Verschwinden wir!« flüsterte der eine Arapaho dem anderen zu.
    Aber sie kamen nicht einmal mehr bis zur Tür. Hidden Moon spürte zuerst den Glutatem des zweibeinigen Wolfs in seinem Nacken - und dann bereits die hornigen Krallen, die sich genau in den erbleichten Gefiederflaum hineinbohrten, der sich augenblicklich dunkel zu färben begann.
    Schwarz wie die Marmorierung in Chiyodas entmenschten Augen
    *
    Zwischenspiel
    Stonehenge, England
    Ein nackter Teufel durchkreuzte die beiden steinernen Kreise des in alter Pracht neuerstandenen Kromlechs und stolzierte auf den dritten Kreis zu, die Wand aus Menschenleibern.
    Dreihundertfünfzig an der Zahl.
    Dreihundertfünfzig wie zu Salzsäulen erstarrte, im Innersten verheerte, äußerlich aber unversehrt gebliebene und noch immer von warmem Blut durchströmte Menschen.
    Um den Mund des nackten Teufels prägte sich ein zynischer Zug, als er an den Vertrag dachte, den er mit diesen Narren geschlossen hatte. Mit diesen . Irren. In Highgate Hall, der nahegelegenen Psychiatrie, waren sie inhaftiert gewesen. Von cleveren Anwälten und Gutachtern für unzurechnungsfähig erklärt, um auf diese Weise das zu verhängende Strafmaß auf ein Minimum zu reduzieren. Mörder, Kidnapper, Vergewaltiger. Jetzt waren sie zu dem geworden, was sie ihrer Umwelt über Monate und Jahre hin nur vorgegaukelt hatten.
    Die Freiheit hatte Gabriel ihnen als Lohn für einen Gefallen versprochen, einen ganz speziellen Gefallen, und jetzt waren sie frei! Denn gab es größere Freiheit als die eines zerrütteten Verstandes? Eines ausgebrannten Gehirns, das keine einzige Sorge, keine einzige Sehnsucht mehr zu formulieren vermochte?
    Gabriels Lachen wurde vom wahren Stonehenge verschluckt. Zuvor hatte es die Energie aus den Hirnen der Dreihundertfünfzig ab -gezapft und aufgesogen, um sich wie eine Doppelbelichtung über das zerfallene Monument aus Monolithen und Trilithen zu schieben. Seither erstrahlte der Kromlech wieder ebenso makellos wie vor mehr als einer Million Tagen - in einer Nacht, die trotz des Mondes und der Sterne am Himmel finsterer wirkte als jede Nacht davor.
    Abseits des dritten Kreises, dem aus Fleisch und Blut und Knochen, hätte kein zufälliger Beobachter das wahre Stonehenge zu er-blicken vermocht. Aber noch existierte es dort, wohin lodernde Seelen es geholt hatten ...
    Der nackte Teufel erreichte die Menschenwand und stellte sich vor einen Mann, dessen stierer Blick dorthin gerichtet war, wohin alle blickten: nicht zum Kromlech, sondern hinauf zum immer noch blutrot verhüllten Mond.
    Dorthin hatte das Instrument aus Steinen den Impuls der Menschenhirne geschickt - und der

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