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Wolfslied Roman

Wolfslied Roman

Titel: Wolfslied Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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flog mir in die Augen, und trotzdem wollte ich die Tür nicht schließen. Hunter hatte sein störrisches Gesicht aufgesetzt. Ich hatte keine Ahnung, wie ich ihn wieder loswerden sollte. Wenn wir beide in Wolfsgestalt gewesen wären, hätte es keinen so großen Unterschied zwischen unseren Größen und unserer Kraft gegeben.
    Mit diesem Gedanken veränderten sich auf einmal die Machtverhältnisse zwischen uns. Ich weiß nicht, was Hunter in meiner Miene sah. Jedenfalls packte er mich plötzlich an den Haaren und riss meinen Kopf nach hinten.
    »Ich bin viel zu nett zu dir gewesen, nicht wahr?«
    Er zog fester an meinen Haaren, was zwar nicht wehtat, mir aber doch signalisieren sollte, wer hier die Kontrolle hatte. »Ich habe ganz vergessen, welche Spielchen du so gerne magst.« Mit einem hässlichen Grinsen zog er mich näher an sich heran. »Mein kleines unterwürfiges Mädchen. Du hast mir wirklich gefehlt.«
    Ich versuchte mich zu befreien. »Lass das! Ich spiel nicht mehr mit dir.«
    »Ein bisschen Widerstand - genau das, was ich mag. Wie gefällt dir die Idee, gegen deinen Willen gezwungen zu werden, hübsche Maid?«
    Es klang nicht wie eine Drohung, sondern wie der Versuch einer Verführung. Es war schon lange her, als wir das letzte Mal unser Liebesleben mit kleinen Rollenspielen hatten aufpeppen wollen. Hunter hatte offensichtlich einige der Regeln vergessen. Wie ein schmieriger Don Juan
zu klingen, war nämlich eindeutig gegen diese Regeln. Andererseits hätte eine echte Androhung bei mir sowieso nicht funktioniert. Es ist doch so: Man kann keine Sex- und Machtspielchen mit jemandem treiben, dem man nicht vertraut. Zumindest ich konnte das nicht. Und ich traute Hunter schon lange nicht mehr.
    Er verstand mein Schweigen offenbar als Zustimmung, denn er grinste schelmisch. »Was meinst du? Soll ich verruchte Dinge mit dir anstellen?«
    Ich wollte gerade antworten, als hinter uns Schritte zu hören waren.
    Wir blickten beide auf und sahen uns einer Gestalt gegenüber, die weiß verschneit unter der Tür stand. »Ich meine, dass du damit einen großen Fehler machen würdest.«
    Es war Red, der mit seiner Pelzmütze, dem hochgeschlagenen Kragen seines Schafpelzmantels und der geschulterten Zwölf-Kaliber-Browning-Automatik wie Davy Crockett aussah. Hunter hatte sofort meine Haare losgelassen, als Red auftauchte, während ich mich vor Erleichterung beinahe in seine Arme geworfen hätte.
    Doch dann bemerkte ich den Ausdruck auf Reds Gesicht oder vielmehr seine Ausdruckslosigkeit und sah, woraus die Pelzmütze auf seinem Kopf bestand.
    Aus Waschbärfell.

20
    Red stampfte mit den Beinen auf, um die Stiefel vom Schnee zu befreien. Dann schüttelte er sich wie ein Hund, ehe er über die Schwelle in unsere Hütte trat. Er hielt das Gewehr nach unten gerichtet, hätte es jedoch jederzeit hochreißen und auf Hunter richten können.
    Oder auf mich.
    »Könntest du mir vielleicht erklären, was der hier macht?«
    »Seine Grenzen austesten.«
    Red hielt seine Augen auf mich gerichtet. »Soll ich ihn für dich erschießen?«
    Wenn es auch nur die Andeutung des üblichen trockenen Humors in seiner Miene oder Stimme gegeben hätte, ich wäre wahrscheinlich in Versuchung gewesen, Ja zu sagen. Doch wie die Dinge lagen, erwiderte ich lieber: »Das wird nicht nötig sein, Red.«
    Er warf einen Blick auf Hunter und trat dann an den Kamin. »Ihr tragt beide meine Hemden«, bemerkte er.
    »Sein Hemd war voller Blut, und ich musste es ihm aufschneiden, um Erste Hilfe leisten zu können«, erklärte ich und versuchte so, zu unterstreichen, dass Hunter nicht gerade zu Besuch gekommen war.

    Red knurrte etwas Unverständliches und hielt seine Hände über das prasselnde Feuer, wobei er uns den Rücken zuwandte. »Und? Hat er seine Erste Hilfe bekommen?«
    Ich schluckte. Wenn sich Red ebenfalls kurz vor der Verwandlung befand, vermochte er alles zu riechen, was hier geschehen war. Trotz meines Bemühens, die Spuren zu beseitigen, war er gewiss in der Lage, jeden Hauch einer Körperflüssigkeit im Raum zu erschnüffeln. Doch gleichzeitig befand sich Red in menschlicher Gestalt, und er war offenbar längere Zeit draußen gewesen. Vielleicht war seine Nase im Augenblick nicht ganz so scharf wie sonst.
    »Ich habe seine Wunde versorgt«, gab ich zur Antwort und warf Hunter einen warnenden Blick zu, da er auf höchst anzügliche Weise grinste. Ich fuhr mit meinen Fingern quer über meinen Hals, um zu zeigen, was ihm blühte, wenn er nicht den

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