Wolfsmagie (German Edition)
stand da nicht. Aber ich tippe auf einen Mann, wegen des Fluchs.«
»Das wird ja immer besser«, bemerkte Kris.
»Jedenfalls verführte und tötete der Kelpie die Tochter einer sehr mächtigen Hexe, die ihn anschließend dazu verfluchte, für alle Zeit als Ungeheuer im Loch Ness zu leben.«
»Wegen dieses Fluchs tippst du auf einen Mann, aber deutet der Name Nessie nicht eher auf eine Frau hin?«
»Der Name Nessie stammt aus den Zeitungen, nicht aus der Legende. 1933 wurde in einer Ausgabe der London Times unter dem Namen MacNess auf das Ungeheuer Bezug genommen, was eindeutig einen männlichen Beiklang hat.«
»Sämtliche Opfer der letzten Zeit waren Frauen«, sinnierte Kris, als ihr ein hässlicher Gedanke kam. »Wurden sie vergewaltigt?«
»Ich habe mir die Berichte angesehen. Keine Anzeichen für Geschlechtsverkehr – weder einvernehmlich noch erzwungen –, was ein klares Indiz dafür ist, dass wir es mit ein und demselben umhervagabundierenden Serientäter zu tun haben.« Als er Kris’ neugierige Miene bemerkte, fügte er hinzu: »Da ist immer diese eine Sache, die nicht mit dem Monster-Profil zusammenpassen will. Und wenn dieser Kelpie seine Opfer verführte, bevor er sie ertränkte …«
»… müsste es Nachweise für sexuelle Handlungen vor dem Tod geben.«
»Bingo«, bestätigte Marty.
Es trat Schweigen ein. Kris grübelte über das nach, was ihr Bruder gesagt hatte. Sie hätte noch länger gegrübelt – er hatte viel gesagt –, doch Marty unterbrach die Stille.
»Da ist noch etwas anderes.«
»Was denn?«
»Kennst du irgendwelche Hexen?«
23
»Warum?«, fragte Kris.
Sie mochte Jamaica. Solange es nicht unbedingt nötig war, wollte sie sie nicht Interpol ausliefern – und von dort aus womöglich den Jägersuchern oder diesem »Ein-Anruf-genügt«-Auftragsmörder.
»Die Legende besagt, dass sich stets ein Abkömmling der originären Hexe in der Nähe aufhält, um sicherzustellen, dass der Verfluchte auch verflucht bleibt.«
»Wie hebt man einen solchen Fluch auf?«
»Keine Ahnung. Aber ich vermute, dieser omnipräsente Abkömmling soll dafür Sorge tragen, dass der Kelpie weiterleidet. Es geht um ewige Marter.«
»Die Hölle auf Erden«, folgerte Kris. »Wie nett.«
»Die Kreatur hat immerhin ihre Tochter ertränkt.«
»Man bekommt, was man verdient. Zumindest gilt das für dieses Biest.«
»Wer ist die Hexe?«, bedrängte Marty sie.
»Du glaubst, dass dieser Nachfahre, der im Dorf lebt, ebenfalls eine Hexe ist? Wäre das nicht zu offensichtlich?«
»Es ist alles, was wir haben.«
Kris holte tief Luft, dabei hoffte sie, dass ihr ein anderer Ausweg einfallen würde, doch das geschah nicht. »Jamaica Blue ist die Betreiberin des Cafés im Dorf. Sie hat mir verraten, dass sie früher eine Obeah-Priesterin war.«
»Hä?«
»Schwarze Magie. Mit Ursprung in Jamaika. Sie beinhaltet rituelle Opferungen im Austausch gegen Macht. Zuerst dachte ich, dass Jamaica womöglich Menschen umbringt, um sie Nessie zu opfern, aber Edward teilt meine Meinung nicht.«
»Eine Opferung geht mit Blutvergießen einher«, wandte Marty ein.
»Und Mandenauer zufolge mit einem bestimmten Ritual, auf das es in unserem Fall keinerlei Hinweis gibt.«
»Selbst wenn diese Jamaica ihrem Gott keine Menschenopfer darbringt, könnte sie trotzdem dieser Wachhund-Abkömmling sein. Wer kann schon sagen, ob nicht einer der Nachkommen der ursprünglichen Hexe ausgewandert ist und Kinder bekam, von denen eines später hierher zurückkehrte?«
»Alles ist denkbar«, stimmte Kris ihm zu. Jamaica hatte sich in Bezug auf ihre Vergangenheit tatsächlich ziemlich geheimniskrämerisch gegeben. Und sie hatte erwähnt, dass einer ihrer Vorfahren aus Schottland stammte.
»Lass uns ihr einen Besuch abstatten.« Marty stand auf.
»Okay.« Kris steuerte zum Bad.
»Ich meinte jetzt gleich.«
»Ich gehe nirgendwohin, bevor ich diesen blauen Fleck nicht abgedeckt habe.« Kris deutete auf ihre Wange. »Ich bin es leid, erklären zu müssen, woher ich ihn habe. Du könntest auch ein wenig Make-up und Puder vertragen.«
»Ich bin ein Mann.« Marty warf sich ulkig in die Brust. »Kein Make-up. Kein Puder. Abgesehen davon …« Er hob den Arm und ließ die Muskeln spielen. »Du solltest mal den anderen Kerl sehen.«
»Den, an dem nicht ein einziger Makel ist?«
Mit Ausnahme dieser verdammten Tätowierung.
Marty zog eine Grimasse, was seiner Nase hätte wehtun müssen, aber offensichtlich war das nicht der Fall.
Fünf Minuten
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