Wolfstage (German Edition)
schüttelte den Kopf. »Ich schätze, du hast sie nicht besonders gut gekannt.
Du glaubst immer noch, dass sie dich bei allem ins Vertrauen gezogen hat. Am
besten, du vergisst sie ganz schnell. Das hat sie schließlich auch getan.«
»Aber woher willst du denn wissen …?«
Richard Peters machte eine wegwerfende Bewegung, bei der Eva zusammenzuckte,
dann blickte er Johanna an. »Ich denke, dass dieses ganze Theater völlig
überflüssig ist. Kati macht sich irgendwo ein paar nette Tage und hat alles
andere ausgeblendet. Das würde zu ihr passen.« Er zeigte Zähne, aber ein
Lächeln sah anders aus, geschweige denn, ein freundliches.
»Ach so«, bemerkte Johanna und ließ Richard Peters nicht aus den
Augen. »Klingt so, als würden Sie Kati doch ganz gut kennen. Ihre
Einschätzungen lassen jedenfalls diese Schlussfolgerung zu.«
Peters vergrub die Hände in den Hosentaschen. »Ich schildere nur
meine Eindrücke. Mehr nicht. Haben Sie sonst noch Fragen?«
»Ja.« Johanna kramte Wiebors Foto hervor. »Haben Sie diesen Mann
schon mal gesehen?«
Beide Köpfe beugten sich über die Aufnahme. Peters verzog keine
Miene, während er den Kopf schüttelte. »Nein.«
Eva Blum gab Johanna das Bild zurück. »Noch nie gesehen. Was hat er
mit Kati zu tun?«
»Das wissen wir nicht. Hat sie erzählt, dass sie jemanden kennengelernt
hat?« Johanna fixierte Eva.
»Nein.«
»Und das würde Sie Ihnen erzählen?«
»Da bin ich ziemlich sicher.«
»Okay. Dann danke ich Ihnen erst mal für die Auskünfte.«
Peters Miene drückte plötzlich Unzufriedenheit aus. Er legte seiner
Freundin erneut den Arm um die Schultern. Das Abschiedslächeln hätte er sich
sparen können.
Johanna grüßte knapp und verließ das Geschäft. Draußen atmete sie
einige Male tief durch, bevor sie sich auf den Weg zur Polizeidienststelle
machte und dabei in Gedanken einige Stichpunkte festhielt.
Reinders gab sich Mühe. Das musste sie anerkennen. Er
hatte sehr guten Kaffee bereitgestellt und steckte ihre nahezu sehnsüchtig klingende
Frage nach Sofia Beran, der jungen Polizistin, mit der sie bei ihrem ersten
Wolfsburg-Fall hervorragend zusammengearbeitet hatte, lässig weg.
»Ich kann Sie Ihnen leider nicht zur Seite stellen«, meinte er
lächelnd und wies auf die Sitzecke neben seinem Schreibtisch. »Sofia ist
derzeit im Mutterschutz.«
»Ach? Na, dann richten Sie mal Grüße und alles Gute für die Familie
aus!«
»Mach ich doch gerne.« Reinders goss Johanna Kaffee ein und setzte
sich zu ihr. »Wie kommen Sie voran? Oder besser: Gibt es überhaupt einen Fall?
Oder gar zwei?«
Johanna lehnte sich zurück. »Das ist wohl die entscheidende Frage.«
Sie nippte an ihrem Kaffee. »Das Verschwinden der jungen Frau mutet verdammt
merkwürdig an. Es gibt unterschiedliche Einschätzungen, was ihre Persönlichkeit
angeht, und auch Mutmaßungen über eventuelle Beweggründe, eine Auszeit zu
nehmen – das zumindest entnehme ich den Gesprächen, die ich bislang
geführt habe. Aber dass sie aus Jux und Dollerei auf und davon ist, kann ich
mir nicht vorstellen. Inwiefern tatsächlich ein Verbrechen vorliegt, das unter
Umständen im Zusammenhang mit unserem Kollegen und dessen Einsatz sowie dem
Unfall steht …« Sie hob die Hände. »Ich bin jedenfalls gespannt, was
Wiebors alias Maybachs Nachricht auf dem AB angeht.«
Reinders drehte sich auf das Stichwort hin zu seinem Schreibtisch um
und angelte nach einem Anrufbeantworter. »Die Kollegen haben ihn mir heute früh
vorbeigebracht.«
»Und sind schon wieder unterwegs?«
Reinders nickte. »So ist es. Wir ermitteln gerade in einer Serie von
Einbrüchen und Drogengeschichten –«
»Verstehe. Keine Zeit für halbgare Fälle ohne Zeugen und eindeutige
Szenarien?«, unterbrach Johanna ihn.
Jürgen Reinders räusperte sich. »Kommissarin Krass, Sie wissen doch,
wie das ist. Wir können uns nicht zerreißen.«
Wiebor lebt noch, außerdem spielt er als verdeckter Ermittler in einer
anderen Liga, überlegte Johanna im Stillen. Und eine junge Frau, die spurlos
verschwunden war, ohne dass es überzeugende Indizien für ein Verbrechen gab,
riss niemanden vom Hocker – sah man mal von Familienangehörigen und
Freunden ab. Vielleicht tauchte sie morgen wieder auf, nachdem sie sich ein
paar unbeschwerte Tage gemacht hatte, wie Richard Peters ohnehin vermutete,
vielleicht war sie schon tot oder unterwegs nach Rom.
»Nein. Sollen Sie auch gar nicht«, entgegnete Johanna schließlich.
»Aber ein bisschen mehr
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