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Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition)

Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition)

Titel: Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gray
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versenkte den Daumen seiner rechten Hand in der Uhrtasche seiner altmodischen Weste.
    „ Wer ist das Mädchen, bei der man ihn festgenommen hat?“
    „ Eine Nutte aus dem Elsass. Vor zwei Jahren das erste Mal in Paris aufgetaucht. Drei Mal festgenommen. Nie verurteilt. Das Übliche, Chef.“
    „ Lassen wir ihn noch eine Weile da drin. Ich fürchte, ich werde den Chef wecken müssen.“

  V.
     
     
    „ Der Tod als Drohung ist die Münze der Macht.“
     
    Elias Canetti 1960, „ Masse und Macht“
     
     
    Ich nehme an, Du hast nie versucht in einem dunklen Stall um vier Uhr morgens ein Schaf zu fangen. Das ist kein Spaß. Sie rennen umher und blöken und schubsen sich gegenseitig umeinander. Ein Chaos.
    „ Ein Junges, Hauptmann.“
      Steffens blieb Bauer: ein Muttertier als Wolfsköder bedeutete für ihn sinnlose Verschwendung. Ein Muttertier gab Milch und hatte bewiesen, dass es ein Lamm zur Welt bringen konnte.
    Ich griff blind ins Dunkel nach irgendeinem herum springenden Schatten.
    Als er sich wieder los zu reißen drohte, ließ ich mich einfach darauf fallen.
    Blinde Selektion.
    Ich fand mich mit dem Gesicht im Dreck wieder. Aber das Schaf hielt ich immer noch fest.  
    Auf dem Weg zum Wald trug ich das Gewehr und Steffens das Schaf. Er hatte es an den Beinen zusammengebunden und sich wie einen lebenden Schal um die Schultern gelegt.
    Ein bisschen Licht, wenn die Wolken den Mond freigaben.
    Steffens hoffte, dass der Wolf das Schaf nicht riss, bevor er ihn erschießen konnte. Das Schaf gab einen guten Weihnachtsbraten ab. Und übermorgen war Heilig Abend.
    Ich hatte den Auftritt der Jungen, die Bülow evakuieren wollten, immer noch vor Augen. Ich fragte Steffens nach seinem Bruder, dem Kreisleiter.
    Es schien ihm unangenehm, meine Fragen zu beantworten. Es dauerte ziemlich lange ehe er mit ein paar Worten herausrückte.
    Er war Direktor am Gymnasium, bevor er `33 in die Partei ging.
    Als Steffens im Herbst 1918 aus dem Krieg nach Hause kam, war sein Bruder gerade dreizehn. Steffens sagte, er hätte er ihn erwischt, wie er in Steffens Uniform heimlich vorm Spiegel Hackenzusammenschlagen geübt hatte. Sein Bruder sei ein Feigling, meinte er. Und, dass er sich wie viele Feiglinge, nachdem er zu alt für den Rockzipfel geworden war, eben hinter einer Uniform versteckt hätte.
    Das Schaf wurde unruhig. Steffens gab ihm einen Faustschlag auf die Schnauze.
    Etwas später stießen wir auf die Spur des Wolfes. Wir folgten ihr eine Weile. Dann band Steffens band das Schaf an einen Baum, prüfte die Windrichtung, und wir kauerten uns ein paar Meter von unserem Lockvogel entfernt hinter Schnee und Unterholz zusammen.
    Ich weiß nicht wie lange wir dort gewartet haben. Irgendwann begann das Schaf an dem Strick zu reißen, mit dem Steffens es an den Baum gebunden hatte. Es hatte den Wolf angelockt. 
    Trotzdem kehrten wir an jenem Morgen nicht als Sieger aufs Gut zurück.
    Der Wolf tauchte im Unterholz auf. Steffens schoss. Der Wolf rollte über den Schnee, blieb zuckend bei dem wie wild blökenden Schaf liegen.
    Ich hätte sehen müssen, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Jeder hätte das sehen können. Der Wolf war abgezehrt, das Fell dreckig und verklebt, seine Nase vereitert und vorm Maul stand weißer flockiger Schaum. Ich bin trotzdem hingegangen und habe mich zu ihm heruntergebeugt.
    Ich hatte mich getäuscht, der Wolf war nicht tot. Er verbiss sich in meinen Arm.  
    Steffens jagte ihm eine zweite Schrotladung in den Körper. Er musste den Gewehrlauf zu Hilfe nehmen, um meinen Arm aus den Kiefern des Wolfs zu befreien.
    Ich trug den Uniformmantel des toten Hauptmanns, darunter einen Pullover und unter dem noch Hemd und Unterhemd. Das hatte zwar das Schlimmste verhindert, trotzdem war die Bisswunde zentimetertief.
    Doch so oder so - für die Tollwut, die mir der Biss eingebracht hatte, hätte auch ein winziger Kratzer genügt.
    Es war das einzige Mal, dass ich Steffens unsicher gesehen habe. Er zückte sein Messer und sagte er schneidet mir die Infektion heraus.
    Er war Bauer, aber ich bin Arzt. Ich sagte ihm, dass eine Infektion kein Hühnerauge war, das man herausschneiden konnte.
    Wenn ich in den nächsten achtundvierzig Stunden nicht an Serum kam, war es vorbei.
    Plötzlich habe ich den echten Jakob Weiss vor mir gesehen. Wie er am Ende der Welt an einem Baum  lehnt und sich selbst hilflos beim Verbluten zusieht. Und ihm allmählich klar wird, dass er nur deswegen die Hölle überstanden hatte, um im

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