Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition)
Frost am Ende der Welt einsam zu krepieren.
Ich hatte Angst und trotzdem war mir zum Lachen. Das Lager zu überstehen, die Tage im Wald – aber nun würde ich an einer simplen Rabier Infektion draufgehen, die zu jeder anderen Zeit, an jedem anderen Ort nichts weiter als ein kleines Ärgernis gewesen wäre.
Gott, wenn es ihn denn geben sollte, ist ein zynischer Puppenspieler.
Steffens hatte das Schaf wieder an den Füßen zusammengebunden, sich über die Schultern geworfen und bahnte sich einen Weg durch den verharschten Schnee.
Die Bisswunde spürte ich kaum noch. Ich hatte sie mit einem Stück meines Hemds notdürftig verbunden.
An einem Strick, den ich mir um die Schultern gelegt hatte, zog ich den Kadaver des Wolfes hinter mir her.
Im Morgenlicht kamen wir besser voran als während der Dunkelheit.
Lange vor Mittag erreichten wir den Waldrand.
Doch Catherina würde wenig Grund für ihr Fest haben. Nur das Schaf auf Steffens Schulter blökte fröhlich drauflos, sobald es den Stall und seine Artgenossen zu wittern begann.
Steffens hatte immer wieder von dem Krankenhaus in der Kreisstadt gesprochen, das mittlerweile zu einem Lazarett umgewandelt worden war. Zwei gute Pferde vor den Wagen gespannt und mit dem Jungen als Führer, meinte er, könnte ich lange vor der Abenddämmerung dort sein.
„ Keiner in der Stadt weiß, wann Dein Flugzeug abgestürzt ist, Hauptmann. Es hat Dich keiner bei uns gesehen. Sie werden Dir glauben…“
Ich hielt es nicht mehr aus. Ich hatte genug von seinem Gerede. Ich hatte genug von meiner Angst. Ich blieb stehen.
„ Siehst Du das Steffens?“, brüllte ich. „Ich bin kein Hauptmann. Ich bin nicht mit dem Flugzeug abgestürzt. Ich bin aus einem Lager geflohen.“
Steffens versteinerte mitten im Schritt. Er sah aus wie einer dieser Vorstehhunde: ein Bein angewinkelt, das andere im Schnee.
Um mich drehte sich alles. Wilde Wut packte mich. Ich war nicht einfach nur ehrlich. Ich schrie ihm die ganze gemeine Wahrheit ins Gesicht.
Jedes Wort ein Faustschlag für den alten Mann.
„ Gaskammern Steffens - hörst Du? Wie Vieh haben sie sie zur Schlachtbank getrieben. Frauen und Kinder – ich hab es gesehen Steffens! Ich war dabei! Der einzige Weg raus führt als Rauch durch den Schornstein! Rauch – verstehst du, alter Mann? Frauen und Kinder…“
Es muss ihn unendliche Mühe gekostet haben etwas zu erwidern.
„ Du bist verrückt, Hauptmann! Kein Mensch tut so etwas!“
Dann trat er auf mich zu. Das verdammte Schaf glitt ihm von der Schulter. Meckernd landete es im Schnee.
Ein paar Minuten standen wir uns wie Fremde gegenüber. Unser Atem, das einzige Geräusch in unseren Ohren.
Ich weiß, dass er die Wahrheit in meinen Augen gesehen hat. Auch wenn er ihr lange nicht zu trauen schien.
„ Du spinnst, Hauptmann. Gib mir das Gewehr…“
Ich lachte ihn aus.
Heute denke ich, dass er zuvor schon eine dunkle Ahnung davon gehabt haben musste, was da Furchtbares hinter den Stacheldrähten und in den Viehwaggons vorging.
„ Dein Junge trägt ihre Uniform, Steffens. Es müssen Hunderttausende gewesen sein. Sie sind krepiert wie Vieh. Verstehst du? Vieh, Steffens. Ich kann nicht in die Stadt. Was soll ich ihnen sagen? Ich bin Hauptmann Jakob Weiss? Selbst wenn sie mir glauben und mich nicht sofort an die Wand stellen, verfrachten sie mich in den nächsten Truppentransport an die Front.“
„ Dann mach's kurz und steckt Dir die Knarre in den Mund. Wenn Du dafür abgehauen bist – bitte, die Kugel geht auf's Haus….“
Der alte Mann war Protestant. Protestanten beichten nicht. Protestanten tragen ihre Last allein. Dass ich an meiner Last beinah zerbrach, ging in seinen dicken Bauernschädel einfach nicht hinein.
Angst kann alles Mögliche sein. Manchmal sogar der Lichtschein am Ende des Tunnels. Oder eben der Tunnel selbst.
Und wer weiß, womöglich hätte ich vor lauter Angst enttäuschter Hoffnung und Panik wirklich doch noch den Mut aufgebracht seinem Rat zu folgen und mir die Flinte gleich dort selbst in den Mund gesteckt? Falls es so war hat Catherina mich davor bewahrt.
Ich sehe sie noch, wie sie über die Hügelkuppe auf uns zureitet. Ihr Gesicht gerötet von Kälte und Wind. Ihr Atem, der sich mit dem des Pferdes mischte.
Sie sprang vom Pferd. Max hatte Stiefelspuren entdeckt. Die im Bogen ums Gut und wieder in den Wald zurückführten.
Das verdammte Schaf hatte sich aus den Fesseln befreit und sprang Richtung Gutshaus davon.
Steffens lief ihm
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