Wolkenfern (German Edition)
steckt, dann hätte Venus damals Napoleon kennenlernen können. Er war aus Elba für seine letzten hundert nicht unbedingt rühmlichen Tage zurückgekommen, ein Hühnerarsch mit Magengeschwüren und unersättlichem Appetit auf Frauen, auf die Eroberung von fremden Ländern und auf kleine Krieglein. Er interessierte sich für die Ausführungen Cuviers, und man kann annehmen, dass ihm die Rassentheorie zusagte, anders ist es bei jemandem mit Ambitionen auf eine Weltherrschaft kaum denkbar. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er zu einer solchen Veranstaltung erschien, in einer dunklen Ecke stand und schaute, sich über den Magen strich und rülpste, vielleicht erwachte ein unbefriedigter Wunsch nach der Unterjochung Afrikas in ihm, und sein Blick blieb am Körper der Venus hängen. Afrika! Wenn sie ihm, ihm allein gehören könnte! Sara hat erzählt, erzählt Dominika, sie habe sich ihre Begegnung immer wieder vorgestellt. Und wie?, fragte Małgosia. Wir haben doch eigentlich nur unsere Vorstellungskraft, antwortet Dominika und stößt eine Rauchwolke zum Wałbrzycher Himmel, aus dem der Schnee immer dichter auf das Dach des Babel fällt. Denk dir doch deine Version der Begegnung der Venus mit Napoleon aus! Na gut, sagt Małgosia. Ich glaube, Napoleon wollte sie berühren und allein und in Ruhe betrachten. Sie wurde zu ihm gebracht, und zwar in einer Kutsche mit zugezogenen Vorhängen. In solchen Geschichten kommen doch immer solche Kutschen vor, oder? Dann Treppen, verwinkelte dunkle Treppen für Dienstboten, Spione und Liebhaber, so eine Geschichte kommt doch ohne Hintertreppen nicht aus. Jemand hatte die Venus fest untergehakt, erklärte ihr nervös flüsternd, welch eine Ehre, Napoleon persönlich, man erwarte von ihr entsprechend würdevolles Benehmen, eine Hand streckte ihr eine Flasche mit Alkohol entgegen, was wird sie wohl getrunken haben, vielleicht Rum? Oder Absinth, grün wie der Himmel über Wałbrzych. Sie trank also in großen Schlucken direkt aus der Flasche Absinth oder Rum, und weil ihr nie jemand in die Augen schaut, merkt auch niemand, dass sie betrunken ist und grinst, als plane sie einen Flug auf dem Kristallkronleuchter. Danach Türen, Bücklinge, das Halbdunkel eines Zimmers mit zugezogenen schweren Vorhängen an den Fenstern. Bestimmt waren es Samtvorhänge, oder? Ja, klar, Samtvorhänge, bordeauxrot, bekräftigt Dominika, und sie hatten goldene Troddeln, in Geschichten mit Kutschen und Hintertreppen darf man keine anderen Vorhänge haben. Ein kleiner Mann, das spärliche Resthaar quer über den Schädel gekämmt, steht an … An was lehnt er sich? An einen Kamin, ergänzt Dominika. Lassen wir Napoleon an einen Kamin gelehnt stehen. Jawohl, fuhr Małgosia fort, er stand an den Kamin gelehnt, und das flackernde Feuer hinter ihm warf seinen Schatten riesig an die gegenüberliegende Wand. Venus sah so etwas nicht zum ersten Mal – ein solches Zimmer, ein wartender Mann, Vorhänge aus Samt, sie machte sich daran, sich auszuziehen. Nackt und mit einer Rum- oder Absinthfahne, wollte sie das Ganze schnell hinter sich bringen. Sie wollte so bald wie möglich zurück in ihr Zimmer, ein Bad nehmen und noch eine Flasche trinken, Rum oder Absinth, die würde sie auf dem Rückweg besorgen. Napoleon ging auf Venus zu und warf sich in die Pose, die wir von Davids Bildern kennen. Venus war nicht groß, aber die Üppigkeit ihres Körpers ließ ihn noch kleiner erscheinen, als er war. Ach, hätte er nur ein Pferd hier, dann könnte er im Kreis um sie herumreiten, um diese runde Frau mit den gelben Augen. Er blieb stehen und sann nach, schritt dann im Kreis um sie herum, weil leider kein Pferd zur Hand war, schaute. Das Feuer brannte knisternd, doch vom Steinfußboden stieg Kälte auf. Venus erwiderte den Blick des blassen Mannes, der sich kaum von anderen blassen Männern unterschied, die sie in anderen kalten Zimmern in Paris getroffen hatte. Sie verstand die Geste des Mannes ganz richtig, er wollte wie alle Männer genauer sehen, welche Wunder sie zwischen den Beinen hatte. Diese ernste Miene, die zusammengezogenen Brauen, wenn sie das nur anderen Frauen aus ihrem Stamm erzählen könnte, sie würden sich im Sand kugeln vor Lachen. Bei dem Gedanken musste Venus plötzlich selbst lachen. Der kleine Kaiser war Widerstand nicht gewöhnt. Beine auseinander!, befahl er ihr noch einmal, aber Venus hörte nicht auf zu lachen. Seit Jahren hatte sie nicht so gelacht! Plötzlich stürzte sie sich auf ihn, vielleicht
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