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Wolkenfern (German Edition)

Wolkenfern (German Edition)

Titel: Wolkenfern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bator
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auf der Bandura, kochte Tee in einem alten Samowar, und Venus schenkte Rum in die Gläser und erzählte von Afrika. Der Mann, der sie von Hendrick gekauft hatte, führte Venus schon längst nicht mehr vor, denn krank, wie sie war, brachte sie nur Scherereien und keinen Profit, sie betrank sich und fluchte, spuckte Blut und wurde immer fetter. In den letzten Monaten ihres Lebens wohnte Venus mit Olena zusammen in Paris, die beiden waren sich selbst überlassen und litten große Not. Schließlich trug das Albinomädchen sogar die Bandura ins Pfandhaus, weil sie nichts anderes mehr zu verkaufen hatten. Sie träumten davon, zusammen nach Afrika zu fahren, ein Haus zu kaufen, Tiere zu züchten und neben der Terrasse Bougainvilleen zu pflanzen, die so feuerrot waren, dass man sie täglich gießen musste, damit sie nichts in Brand steckten. Dort würden sie auf Schaukelstühlen sitzen, schaukeln und singen, nur die Bandura würden sie vorher aus der Pfandleihe holen müssen. Niemand außer Olena wusste, dass Venus schwanger war, sie war die Einzige, die bei der Geburt half, und sie war auch dabei, als Saartjie Baartman, die Hottentotten-Venus, Ende 1815 starb. Venus starb mit sechsundzwanzig Jahren und viel weiter weg von Afrika als Napoleon, wie paradox. Olena wusch die tote Venus, kleidete sie in ihr schönstes Kleid aus smaragdgrünem Samt und zog ihr ihre Lieblingshandschuhe aus weißer Spitze über. Sie sang ihr ein letztes Mal vor, dann hüllte sie das Kindchen in warme Decken, legte es in einen Korb und stahl sich hinaus in die Nacht. Sara hat erzählt, erzählt Dominika, dass jede Geschichte an den Punkt kam, wo jemand sich mit dem Kind von Venus und Napoleon in die Nacht hinausstahl. Wir wissen schon, dass das Kind ein Mädchen war, und ich glaube, Olena gab ihr einen ukrainischen Namen, denn ukrainische Namen fand sie am schönsten. Oksana, bestimmt Małgosia. Ich kannte mal eine Oksana, davon erzähl ich dir später. Also gut – Oksana, die Tochter von Napoleon und der Hottentotten-Venus.
    Mit dem nächsten Teil der Geschichte sind wir schon in den Staaten, in Alabama. Sara hat erzählt, erzählt Dominika, dass ihre Urgroßmutter Destinee dort im Haus eines Baumwollpflanzers arbeitete. Sie kann die Enkelin von Oksana gewesen sein. Jawohl!, ruft Małgosia zustimmend, was sonst! Destinee war keine Sklavin, aber sie war auch nicht frei, denn sie konnte weder lesen noch schreiben, deshalb konzentrierte sie sich ganz aufs Bügeln und erreichte darin eine Meisterschaft, in der es, wie man sich erzählt, niemand mit ihr aufnehmen konnte. Die verrückte Geschichte von der schwarzen Venus ist alles, was sie Sara überlieferte. Sara hat erzählt, erzählt Dominika Małgosia, dass Destinee sich nicht an ihre Eltern erinnern konnte, sie hatten ihr nichts hinterlassen als einen Koffer, und der ging irgendwann verloren. Der Koffer war mit aufgeklebten Schildern bedeckt, so viel wusste Destinee noch, und vielleicht hätten diese für Destinee nicht lesbaren aufgeklebten Reisezettel Aufschluss darüber geben können, wie sie nach Alabama kam.
    Die Leiche der Venus wurde der Sektion des Naturkundemuseums in Paris übergeben, eine Feierlichkeit, bei der Baron Cuvier präsidierte. Das Skelett der Venus wurde präpariert und mit einer Aufschrift versehen, Saartjies Genitalien kamen in ein Glas mit Formaldehyd, wo sie als seltsame rosige Blüte lagen. Skelett, Hirn und Genitalien blieben im Naturkundemuseum in Paris, so konnten sich die Besucher endlich an dem sattsehen, was die schwarze Venus zu Lebzeiten nicht hatte zeigen wollen. Sara hat erzählt, erzählt Dominika Małgosia, sie habe das alles von Icek Kac erfahren, als sie Teenager war und ins Gymnasium ging. Vielleicht wollte er sie damit in ihrem Wunsch bestärken, einen Weg fort aus Bed-Stuy zu finden? Da es also eine Spur der Venus gab, müsste Sara doch nach Paris fahren und diese Spur mit eigenen Augen sehen, egal wie abwegig und gefährlich ein solches Unternehmen ihrer Oma La-Teesha erscheinen mochte.
    Icek Kac beging Selbstmord, als Sara in der letzten Klasse war; er tat es so wie alles in seinem Leben: still und ohne einem Menschen damit zur Last zu fallen. Man fand ihn tot in seinem Zimmer, dessen Wände über und über mit Fotografien bedeckt waren. Solche Neuigkeiten sprachen sich in Bed-Stuy schnell herum. Nach dem Tod von Icek Kac beschloss Sara, auf jeden Fall ein Studium zu beginnen. Ihre Oma La-Teesha rang entsetzt die Hände, weil sie fürchtete, sie werde

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