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Wolkenfern (German Edition)

Wolkenfern (German Edition)

Titel: Wolkenfern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bator
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ein bisschen schief, nicht ermunternd, aber doch voll Wärme, und stand auf, um den grölenden Lautsprecher etwas leiser zu drehen. Mach lauter!, protestierte Jadzia, obwohl sie alle Nachrichten genauso quittierte wie ihr verstorbener Mann: Klappe aufreißen, immer nur Klappe aufreißen, Demokratie, Schnickschnack und Firlefanz, das Blaue vom Himmel versprechen sie, und der eine ist ein schlimmerer Halunke und Hallodri als der andere. Ich sag dir, Kind, es geht ihnen allen nur um das eine, wenn sie mal an den Fleischtöpfen sind. Jadzia holte so tief Luft, als wollte sie tauchen, und den Atem ausstoßend erklärte sie, sich auf Staatskosten den Wanst vollschlagen, nur darum geht es allen.
    Der alte sowjetische Fernseher zeigte Jadzia eine Welt in Schimmelgrün und in dem dunklen Rot roher Leber. Die Augen in den Gesichtern sahen aus wie die eingefallenen Augenhöhlen von Leichen, ihre Münder waren bläuliche Löcher, und sie klapperten mit den Zähnen wie die Warane von Komodo. Ach, was soll ich mir einen neuen kaufen, das lohnt sich doch nicht mehr, sagte Jadzia mit einer wegwerfenden Handbewegung. Besser nimmt man mir Maß für den Totenkittel, denn ich gebe bald den Geist auf hier in diesem Krähennest, und einen neuen in Farbe zu kaufen, Kind, das lohnt sich einfach nicht. Sie schaltete den Fernseher ein, wenn Teleexpress kam, um ihren Kommentar zum Aussehen der Moderatorin abzugeben – zu aufgedonnert, zu tief dekolletiert oder, im Gegenteil, geschniegelt wie eine alte Tante, und dann blieb der Apparat an, bis Jadzia sich abends die Zähne putzte. Trotz der größeren Auswahl an Programmen war Jadzia der Meinung, früher, ja früher, da hatte es tolle Serien gegeben, aber jetzt brachten sie nur noch Mist. So was, das gab’s früher nicht, Kind, das sag ich dir. Früher gab es überhaupt weniger, gab Dominika zu bedenken. Weniger, aber genug, beharrte Jadzia. Wenn das Bild verschwand, murmelte Jadzia, diese verdammte Kiste, stand auf und haute mit solcher Wucht auf das Gehäuse, dass das darauf abgestellte Porzellanhündchen in die Höhe hüpfte und die Glasscheiben in der Schrankwand bebten. Sie haute so oft, bis der Russki-Farbfernseher wieder in Form war. Jetzt aber!, drohte Jadzia ihm mit der Hand und ging rückwärts zum Sofa, ohne den drohenden Blick vom Bildschirm abzuwenden, dann pflanzte sie sich wieder in das von ihrem längst verstorbenen Mann eingesessene Nest. Sie klopfte auf den Platz neben sich, damit Dominika an den Tochterplatz auf dem Sofa zurückkehrte, und langte nach einem weiteren Konfekt oder Keks. Nach einer Viertelstunde war das Bild wieder weg, und alles fing von vorne an.
    Zwei Wochen nach der Beerdigung von Halina Chmura kaufte Dominika einen neuen Fernseher und erklärte ihrer technischen Neuheiten abgeneigten Mutter, wie man ein-, aus- und umschalten konnte. Mit übertriebener Heftigkeit zielte Jadzia mit der Fernbedienung auf den Bildschirm und schüttelte ungläubig den Kopf, wenn sofort Bild und Ton da waren. Und damit schaltet man auch ein? Ja, Mama, mit demselben Knopf. Jadzia weigerte sich, das alte Gerät wegzuwerfen, sie stopfte es unter den unbenutzten Schreibtisch in Dominikas altem Zimmer, wo sich seit Jahren immer mehr Gerümpel ansammelte, das für bevorstehende schlechte Zeiten, für alle Fälle und einfach so aufbewahrt werden musste. Warum hast du dich jetzt für mich in solche Unkosten gestürzt, jammerte Jadzia, warum gibst du so viel Geld für eine alte Frau aus, aber noch am Abend desselben Tages hörte Dominika, wie ihre Mutter auf dem Gang zu Krysia Śledź sagte, meine hat mir einen neuen Farbfernseher gekauft. Sie verdient so gut da in Amerika, ein neuer Farbfernseher für die Mutter, das ist eine Kleinigkeit, sie ist einfach ruck, zuck ins Einkaufszentrum und hat einen gekauft. Und nicht so ein russisches oder hiesiges Altertümchen, sondern einen japanischen. Dominika wunderte sich überhaupt nicht, als ihre Mutter gleich am zweiten Tag die Fernbedienung mit Frischhaltefolie umwickelte, sie begriff sofort die Logik dahinter: Jeder Trottel sah doch gleich, dass das hygienischer war und die Fernbedienung sich weniger schnell abnützte. Jadzia liebte Frischhaltefolie und alle anderen Neuheiten, die dazu beitrugen, dass es sauber und reinlich blieb. Ihr gefiel das durchsichtige glänzende Material, das die Dinge wie eine schützende Fruchtblase umgab, und wäre so etwas schon in den rauen Zeiten erhältlich gewesen, als Dominika auf die Welt gekommen war,

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