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Wolkenfern (German Edition)

Wolkenfern (German Edition)

Titel: Wolkenfern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bator
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komme zu dir nach London. Ein paar Monate und ein paar Tausend Seemeilen, das ist nicht viel im Leben der Dominika Chmura. Zuerst fahre ich zu Sara und gebe ihr den Nachttopf von Napoleon. Er sollte ihr gehören, finde ich, denn schließlich haben wir in unserer Geschichte festgestellt, dass sie die Ururenkelin von Napoleon und der Hottentotten-Venus ist, sagt Dominika zu ihrer Freundin. Ich treffe mich noch mit Ivo, er nimmt an einem Konditoreiwettbewerb in New York teil, aber dann hält mich dort nichts mehr. Hält dich überhaupt irgendwas irgendwann irgendwo, du Wandervogel?, fragt Małgosia. Nein, Muminmama, sagt Dominika grinsend, aber ab und zu möchte ich irgendwo ein bisschen bleiben. Vielleicht werde ich ja ein bisschen in London bleiben wollen, wirklich, ich habe das Gefühl, dass das so sein wird, nimm Vorahnungen nie auf die leichte Schulter, wie Eulalia Barron sagte. In zwei, drei Monaten bin ich da, das ist beschlossene Sache; ich freue mich sehr, deine Jill kennenzulernen.
    Seit Dominika gefahren ist, fühle ich mich wie gegessen und wieder ausgekotzt, zitierte Jadzia im Gespräch mit Krysia Śledź die Lieblingswendung von Halina, die sie zu deren Lebzeiten allerdings besonders vulgär und abstoßend gefunden hatte. Jedes Mal sieht sie dann Halina vor sich wie von den Toten auferstanden, dieses vertraute verdrießliche Eidechsengesicht, das sich mit einem Ausdruck der Missbilligung über eines von Jadzias kulinarischen Meisterwerken beugt. Komplett wie gegessen und ausgekotzt, seufzt Jadzia Chmura also, kaum war sie hier, dieser Hansdampfinallengassen, einmal umgedreht, das Unterste zuoberst gekehrt, und schon ist sie wieder weg, hat wohl Hummeln im Hintern oder was. Ich weiß gar nicht, wohin mit mir, und ein Sodbrennen hab ich − als hätte mich einer gegessen und wieder ausgekotzt, heilige Muttergottes. Gurkenwasser musst du trinken, Jadzia, riet Krysia Śledź ihr wie immer, im Fernsehen machen sie Werbung für irgendeinen Firlefanz, aber mir hilft Gurkenwasser, Jadzia, gegen alles, Sodbrennen, Verdauungsstörungen, Hausmittel sind das beste, in den Apotheken haben sie nichts als Chemie. Doch die Sehnsucht ließ sich mit Gurkenwasser nicht heilen, und entgegen den Ratschlägen der Nachbarin schluckte Jadzia ganze Handvoll bunter Vitaminpillen und Kräuterpräparate, die sie mit Reklame für Seelenfrieden, gute Verdauung und glatte Haut lockten; sie schmiss sie sich in den Rachen und warf den Kopf mit einer solch dramatischen Geste zurück, als verübte sie Selbstmord in einem Stummfilm, und danach musste sie aufstoßen von Salbei, Kamille und Lebertran. Sie hatte Angst vor der Langeweile der endlos langen Reihe leerer Tage, doch zumindest am Anfang sah es nicht so aus, dass Jadzia sich langweilen sollte, ja selbst ihre tägliche Fernsehserien-Ration vergaß sie in der unerwarteten Aufregung.
    Wenige Tage nach Dominikas Abreise rief Grażynkas Tochter Aniela Wolf aus Deutschland bei ihr an, die Besitzerin der Konditorei Calypso aus Gelnhausen. Jadzia konnte sich kaum noch an sie erinnern, doch beim Klang ihrer Stimme sah sie das pummelige kleine Mädchen mit dem stets süßigkeitenverschmierten Gesicht wieder vor sich. Aniela berichtete, Grażynka sei nach Halinas Beerdigung nicht nach Deutschland zurückgekehrt, ob Jadzia vielleicht wisse, wo sie sei? Sie hatte einen Brief zurückgelassen, den Papa Hans erst vor kurzem gefunden hatte, weil er in Abwesenheit seiner Frau das eheliche Schlafzimmer nicht betrat und auf dem Sofa schlief. Es war ihm zu einsam allein in dem großen Himmelbett. Heilige Muttergottes, wunderte sich Jadzia über diese deutschen Gewohnheiten. In diesem unter Hans’ Kopfkissen versteckten Brief schrieb Grażynka, dass sie sie alle liebe, doch sie müsse weggehen, und sie sollten nicht nach ihr suchen. Sie liebe sie und gehe trotzdem weg? Jadzias Verwunderung wuchs im Takt der Kräuterrülpser nach einer Überdosis Schachtelhalm für Fingernägel und Haare. Denn lieben und weggehen, einfach so – das machte man doch nicht im normalen Leben. Im normalen Leben blieb man bei seinem Mann, obwohl man ihn nicht liebte, wie es ihre Nachbarin tat, die Lepka, denn weder er noch sie hatten die Möglichkeit umzuziehen; wozu sich also scheiden lassen, wenn man sich nicht trennen konnte. Als hätte sie nur gewartet, seufzte Aniela in den Hörer, als hätte sie nur gewartet, meine verrückte Mutter. Auf was denn gewartet? Dass ihr Sohn heiratet, schluchzte Aniela. Unser Daniel hat

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