Wolkenfern (German Edition)
schön anzusehende Frucht, die in Trauben an den Büschen in Kamieńsker Gärten leuchteten wie schwarze böse Äuglein. Die Flüssigkeit, die Aniela in das Glas des Friseurs einschenkte, war dickflüssig, fast schwarz, und nur ein sehr geübtes Auge hätte in dieser Farbe den Nachglanz von Mondstein entdeckt. Tadeusz Kruk spreizte elegant den kleinen Finger ab und hob das Glas zum Mund, er war guten Mutes, sofern das bei einem Menschen mit bösen Absichten möglich ist. Nach dem ersten Gläschen wurde er fast ein bisschen fröhlich und dachte, wie alt diese Teetanten schon waren, sie kamen ihm plötzlich sogar älter vor als vor ein paar Augenblicken noch. Wie alt sie wohl waren? Hm, er räusperte sich unsicher, denn im nächsten Augenblick erschienen sie ihm jung und schön, nackt und langhaarig. Tadeusz Kruk blinzelte. Róża fragte höflich, ob er noch etwas Likör wünsche, ja, gerne, und Aniela schenkte anmutig nach, wobei sie die Karaffe so drehte, dass nichts auf das Tischtuch tropfte. Sie schauten ihn an, unverwandt sahen sie ihn an, sollten sie doch glotzen, diese dummen Hennen. Was für ein köstlicher Likör! Ob Grażynka so einen Likör ansetzen kann, fragte er, wenn nicht, dann soll sie es lernen, dachte der Friseur verträumt und fühlte, wie ihm die Füße schwer wurden. Er versuchte, sie unauffällig unter dem Tisch zu bewegen, um nicht mit einem plötzlichen Fußkrampf die vornehme Atmosphäre zu zerstören, doch die Bewegungslosigkeit der Füße verging nicht, im Gegenteil, sie kroch nach oben, als sänke er tiefer und tiefer in einen erstarrenden Aspik, der gleichzeitig siedend heiß und eiskalt war. Stark! Den musste man unbedingt ansetzen. Hm. Er räusperte sich. Er wollte noch mehr sagen, eine ganze Rede hatte er sich zurechtgelegt, die mit den Worten begann: Ich bin von Hoffnung geleitet zu Ihnen gekommen. Ich bin zu Ihnen gekommen von Hoffnung geleitet. Von Hoffnung geleitet bin ich zu Ihnen gekommen. Das hatte er vor sich hin gesagt, bevor er sein Haus verließ, beim Binden der Krawatte, die ihm in nicht allzu ferner Zukunft die lieben Händchen der Ehefrau binden würden. Von Hoffnung geleitet bin ich zu Ihnen gekommen, wollte er nun sagen, aber er räusperte sich nur. Hm, krächzte er, Vo-vo-vo-nnnnn, und eine große grellblaue Speichelblase bildete sich vor seinem Mund. Hab ich mich betrunken?, dachte der Friseur Tadeusz Kruk, kann ein Kerl von süßem Zeug so einfach eins, zwei, drei betrunken werden? Er konnte ja nicht sehen, was für die Teetanten mehr als offenkundig war. Neugierig auf die Anzeichen der Wirkung ihres Mottengifts wartend, starrten sie den Friseur wie gebannt an. Was für eine Farbe er annahm, eine helle Bläulichkeit, die wie aus einer jenseitigen Welt schien, fast leichenbleich, aber dennoch schön, eine Schönheit, wie sie die Irrlichter im Moor hatten, die die Teetanten sahen, wenn sie sich im Spätherbst beim Preiselbeerensammeln bis zu den Tümpeln bei Kocierzowa wagten. Dann bekreuzigten sie sich, aber mehr aus Gewohnheit als aus Angst, denn sie hatten im Leben viel schrecklichere Dinge gesehen, und wenn sie auf ein flackerndes Flämmchen blickten, fragten sie sich, wessen Seele es war, die sich da im Sumpf quälte, die eines Mannes oder einer Frau, war es ein Geist oder eine Geistin? Diesmal war es Róża, die nachschenkte, und Tadeusz Kruks Hand langte wider seinen Willen nach dem Glas, er stieß erneut eine Blase aus, hickste, kippte das Glas, ein hellblau schimmernder Tropfen rann ihm übers Kinn und erstarrte am unteren Rand wie ein Schmuckstück. Noch nie war Tadeusz Kruk so schön gewesen, denn der Likör der Teetanten brannte in ihm das Böse aus, das sich von den Flammen verzehren ließ wie trockenes Haar, es brannte, brannte immer weiter lichterloh, bis er im Innern nichts mehr hatte als Asche in der Farbe von Elsterneiern. Beim sechsten Glas erstarrte Friseur Tadeusz Kruk endgültig mit zusammengepresster Hand und abgespreiztem Finger, und seine noch lebendigen Augen konnten sich nicht schließen vor Entsetzen, als er begriff, dass er in die Falle getappt war und dass gleich etwas noch Schlimmeres passieren würde. Die Teetanten betrachteten ihn schweigend, sie bedurften keiner Worte, um sich zu verständigen, und Tadeusz Kruk war nur mehr eine leere Hülse von einem Menschen, eine Vogelscheuche, deren Pupillen dunkel waren wie die Einschlaglöcher von Nägeln. Wenn das Feuer, das das Mottengift in ihm entfacht hatte, auch nur auf ein kleines
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