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Wolkengaenger

Titel: Wolkengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Philps , John Lahutsky
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verboten. Und Kinder, die nicht geeignet schienen, die Überlegenheit der sozialistischen Utopie zu verkörpern,
     wurden zunehmend aus der Gesellschaft ausgesondert und entmündigt.
    Alternative Betreuungsformen in offeneren Institutionen sowie allgemein zugängliche Fördereinrichtungen blieben entsprechend
     unterentwickelt. Seit der Stalin-Zeit bis weit in die achtziger |337| Jahre hinein dominierte die institutionalisierte Heimerziehung das Bild. Öffentlich, d.h. außerhalb der pädagogischen oder
     juristischen Fachwelt, wurde über die Heime und die dort untergebrachten Kinder nicht gesprochen. Wenn John Lahutsky in seinem
     Prolog von einem Kinder-Gulag spricht, sind es diese Aspekte, die den berüchtigten Strafgefangenenlagern und den staatlichen
     Betreuungseinrichtungen gemeinsam sind: die Isolation und das Verschweigen.
     
     
    Ansätze zur Veränderung
     
    Das Bild- und Filmmaterial, die Berichte und Statistiken, die ab den frühen 1990er Jahren in Umlauf kamen, lösten eine Welle
     der Empörung aus. Lokale Initiativen wurden gegründet, und Hilfsorganisationen leiteten Sofortmaßnahmen ein, um die schreiende
     Not zu lindern. Seitdem hat sich ein weltweites Netzwerk von Organisationen gebildet, die auf vielfältige Weise die Zukunftsaussichten
     gefährdeter Kinder langfristig verbessern wollen: Zur unmittelbaren Verbesserung der Lebensumstände in den Heimen selbst werden
     Sachspenden gesammelt, Personalschulungen initiiert und finanziert, freiwillige Helfer angeworben und nach Möglichkeit Kontakte
     zu den Herkunftsfamilien der Kinder aufgebaut. Studien, die Daten zu Ursachen und Entwicklung der Heimunterbringung erheben,
     liefern die Grundlage für alle weiteren Maßnahmen. Um Heimkinder in die Gesellschaft zu reintegrieren, werden Freizeiten organisiert,
     Pflegefamilien angeworben und betreut, Adoptiveltern gesucht oder kleinere, familiärere Betreuungsformen geschaffen. Frühförderangebote,
     Beschützende Werkstätten und Elternnetzwerke sollen Eltern dazu ermutigen, ihre Kinder wieder zu sich zu nehmen – oder, besser
     noch, verhindern, dass sie ihre Kinder überhaupt in geschlossene Einrichtungen einweisen lassen.
    Einige Organisationen haben bereits eindrucksvolle Erfolge vorzuweisen, sei es, dass sie dazu beitrugen, ausgewählte Heime
     in lebenswertere, offenere Orte umzuwandeln, sei es, dass einzelne Institutionen geschlossen werden konnten, indem die dort
     lebenden Kinder anders untergebracht wurden. Auch ist in besonders intensiv geförderten Regionen der Bedarf nach staatlicher
     Betreuung messbar zurückgegangen.
    Auch von Seiten der russischen Regierung wurde wiederholt der Wunsch nach Veränderung bekräftigt. Schon im Dezember |338| 1990 wurde die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert und ein neues Gesetz in Kraft gesetzt, das allen Heimkindern das Recht
     zusprach, kontinuierlich gebildet, gefördert und als vollwertiges Mitglied in die Gesellschaft integriert zu werden. Auf der
     Grundlage der neuen Verfassung von 1993 entstand 1995 ein Bildungsgesetz, das die Regierung darauf verpflichtete, jedem Kind,
     unabhängig von seiner sozialen oder gesundheitlichen Lage, individuelle Förderung zukommen zu lassen.
    Allerdings sind die Institutionen selbst oft geradezu immun gegen Veränderungen: Das schlecht geschulte Personal ist von sich
     aus kaum in der Lage, wirksame Verbesserungen einzuleiten. Und da die karge finanzielle Ausstattung vom Behinderungsgrad der
     Insassen abhängt, hat so manche Heimleitung kein ernsthaftes Interesse daran, die Kinder gezielt zu fördern. Zu Klagen kommt
     es dennoch selten, weil sich selbst informierte Eltern vor den Nachteilen fürchten, die ihren Kindern aus einer offiziellen
     Beschwerde erwachsen könnten; die meisten Heimkinder stehen ohnehin unter der Vormundschaft der Heimleitung. Zudem wurde das
     Engagement der Nichtregierungsorganisationen durch neue bürokratische Hürden und den stark reglementierten Zugang zu den Heimen
     immer wieder zurückgedrängt.
    Auch haben sich offizielle Bemühungen, durch die Förderung von Pflegeelternschaften und den Aufbau von Tageszentren einen
     Teil der Heimkinder wieder in die Gesellschaft zu integrieren, zunächst als wenig nachhaltig erwiesen: Ein Drittel der durch
     staatliche Stellen in Pflegefamilien untergebrachten Kinder wurde in jüngster Zeit wieder in die Heime zurückgegeben, und
     in den Tageszentren blieb die Personalausstattung unzureichend. Nicht zuletzt trägt die

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