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Wolkengaenger

Titel: Wolkengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Philps , John Lahutsky
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kranker Kinder ein, um es den Eltern so
     zu ermöglichen, sie zu Hause großzuziehen. Diese wundervollen Menschen brauchten Unterstützung. Von Seiten des Staates erhielten
     sie natürlich nichts.
    »Eines Nachmittags unterhielt ich mich mit dem russischen Kindermädchen meiner Nachbarn, während wir unseren Kindern im Gorki-Park
     beim Eislaufen zusahen«, erzählt Sarah weiter. »Ich schätzte ihren scharfen Verstand und die Einblicke, die ich durch sie
     gewann. Ausnahmslos jeder – beim Präsidenten angefangen – hatte zu jener Zeit in Russland den falschen Job. Das allgemein
     herrschende Chaos hatte zur Folge, dass bestimmte Stellen mit rein zufällig ausgewählten Kandidaten besetzt wurden. Das Kindermädchen
     meiner Nachbarn hätte als Fernsehmoderatorin arbeiten können, hätte man sie nicht in der letzten Runde der Bewerbungsgespräche
     aufgrund ihrer schiefen Zähne aussortiert. Und da sie |82| es sich nicht leisten konnte, ihre Zähne richten zu lassen, arbeitete sie nun in einer gut zahlenden ausländischen Familie
     als Kindermädchen – so wie viele andere fähige Frauen auch, die in ihren studierten oder erlernten Berufen keine Anstellung
     fanden. Sie hatte sich offenbar vorgenommen, mit mir zu sprechen, da sie es als ihre Pflicht ansah, mich aufzuklären. Sie
     fragte mich, warum ich Spenden für Babyhäuser sammelte. Es war kein Geheimnis, dass es den Menschen, die dort arbeiteten,
     nicht um die Kinder, sondern um das ging, was sie stehlen konnten. Erhielten sie Fleisch, wanderte es auf direktem Weg in
     die Taschen der Angestellten, und die Kinder bekamen Brot und Kartoffeln. Gleiches geschah mit Bettwäsche, die umgehend verschwand.
     Das gesamte System war korrupt, und mit meinen Spenden unterstützte ich es und machte alles nur noch schlimmer.
    Was sie sagte, deckte sich exakt mit dem, was ich beobachtet hatte. Mir wurde immer klarer, dass die Zukunft der Kinderbetreuung
     auf Seiten der russischen Menschenrechtsaktivisten lag, nicht auf Seiten des Staates.«
    Andere Mitglieder der Fürsorgegruppe dachten in die gleiche Richtung. Die Veränderungen, die in der Gruppe vor sich gingen,
     erregten den Argwohn ihrer Gönnerinnen im International Women’s Club. Die Arbeit der Fürsorgegruppe war zu »professionell«
     geworden – eine verpönte Vokabel im Wortschatz des IWC.
    »Im Rückblick erkenne ich, dass wir der diplomatischen Hierarchie bzw. dem recht altmodischen Verhaltenskodex des IWC nicht
     ausreichend Respekt zollten. Eine der Leiterinnen unserer Gruppe, eine patente vierundzwanzigjährige Psychologin, schockierte
     die Damen des IWC damit, dass sie nicht mit ihrem Partner verheiratet war. Ich kann mir genau vorstellen, was die Damen davon
     hielten. Unter diesen Umständen legte man keinen Wert darauf, dass die Frau im Namen des IWC arbeitete.
    Ich gebe offen zu, dass ich mich in Gesellschaft jener russischen Enthusiasten, die mit autistischen Kindern in feuchten |83| Kellerräumen arbeiteten, wesentlich wohler fühlte, als mit den tonangebenden Damen vom IWC. Nach wochenlangem unschönem Tratsch
     und Denunziationen wurden wir in einem Disziplinarverfahren – entgegen dem sonst üblichen diplomatischen Geschwafel – als
     ›Krebsgeschwür, das entfernt werden müsse‹, gebrandmarkt und aus dem IWC ausgeschlossen. Glücklicherweise war das vollkommen
     unbedeutend. Ungeachtet der Bedenken des IWC gründeten wir zur Fortsetzung unserer Arbeit sofort eine eigene Wohltätigkeitsorganisation,
     die wir sogleich amtlich eintragen ließen. All das nahm mich für ein paar Wochen ganz in Anspruch.«
    Sarahs nächster Besuch im Babyhaus 10 Ende März hätte eigentlich ein freudiges Ereignis werden sollen: die Lieferung eines
     Rollstuhls für Anna, jenes aufgeweckte, kluge Mädchen, von dem Dr. Swanger, der amerikanische Kinderarzt, bei seinem Besuch
     so bezaubert gewesen war. Ganze neun Monate waren seither vergangen, doch nun würde sie endlich mobil sein. Staunend beobachtete
     Anna, wie die Ärzte einer britischen Wohltätigkeitsorganisation den Stuhl zusammenbauten, den Sitz auspolsterten und sie schließlich
     hineinsetzten. Innerhalb kürzester Zeit wusste sie mit dem Gefährt umzugehen. Freudestrahlend steuerte sie es vorwärts und
     rückwärts, nach rechts und nach links. Die sich um Anna scharenden Betreuerinnen rangen erstaunt die Hände. Aus dem kleinen
     Wesen, das zeitlebens reglos auf einem Plastikstuhl oder in der Ecke eines Laufstalls gesessen hatte, war ganz

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