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Wolkengaenger

Titel: Wolkengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Philps , John Lahutsky
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Frau, bekleidet mit einem grauen Unterhemd. Ihre gespenstisch weißen Glieder waren
     mit Blutergüssen übersät. Sie sagte nichts, als die drei an ihr vorbeiliefen.
    |77| Am Ende des Flurs ging es wieder eine Treppe hinauf, die noch steiler war als die vorigen und dunkler, da es hier keine Fenster
     gab. Swetlana begann zu schnaufen. Wanja wurde allmählich schwer. Die Stellvertreterin drosselte das Tempo.
    »Da wären wir – Kindertrakt«, murmelte sie und zog erneut ihren Schlüsselbund hervor. Sie drehte den Schlüssel zweimal im
     Schloss herum und stieß die Tür auf. Sichtlich in Eile öffnete sie eine weitere Tür zu einem großen Zimmer.
    Von dem, was er auf dem Weg durch die Anstalt gesehen hatte, ohnehin bereits traumatisiert, starrte Wanja nun vollkommen entsetzt
     auf das, was sich vor ihm auftat: Der Raum war vollgestopft mit Gitterbetten. Keine Holzbetten, wie im Babyhaus, sondern größere
     Modelle mit hohen Metallstäben, die aussahen wie Käfige. In jedem Bett lag eine nackte Matratze; keine Laken, keine Decken.
     Auf den Matratzen lag jeweils ein Kind. Manche von ihnen waren nackt. Andere trugen lediglich ein schmutziges Unterhemd. Sie
     lagen in ihrem eigenen Urin. Eines lag in seinem Kot. Ein anderes schlug mit dem Kopf gegen die Metallstäbe des Gitterbetts.
     Alle jammerten und weinten.
    Bevor er irgendetwas sagen konnte, hatte die Stellvertreterin Swetlana den Jungen abgenommen, ihm Mantel und Stiefel heruntergerissen
     und ihn in ein leeres Bett fallen lassen. Während er sich mühsam an den Gitterstäben hochzog, fiel sein Blick auf den hin-
     und herschaukelnden Jungen in dem Bett neben ihm. Er war in ein Laken verschnürt und daher nicht in der Lage, seine Arme zu
     bewegen.
    Wanja hielt das Metall fest umklammert und schaute sich völlig verzweifelt nach Swetlana um. Sie stand an der Tür, sah ihn
     aber nicht an.
    »Swetlana, Swetlana. Was mache ich hier?«, rief er. »Warum hat sie mich in dieses Bett gesteckt?«
    »Oh, er kann sprechen?«, sagte die Stellvertreterin überrascht. »Sie haben uns einen Schwätzer gebracht – einen Unruhestifter?
     Als hätten wir nicht schon genug Probleme.«
    Die plötzliche Erkenntnis traf Wanja wie ein Faustschlag. |78| »Du lässt mich doch nicht hier, oder?« Swetlana sah ihn immer noch nicht an.
    »Sind Sie sicher, dass Sie das richtige Kind gebracht haben?«, wandte sich die Stellvertreterin an Swetlana.
    »Oh, ja. Die Kommission hat ihn vor zwei Monaten beurteilt und angewiesen, ihn hierherzuschicken. Hier habe ich das Schreiben
     vom Ministerium.« Swetlana blätterte nach dem Dokument.
    Auf der anderen Seite des Raumes schrie Wanja: »Lass mich nicht hier, Swetlana! Tante Walentina würde es nicht wollen. Ich
     bin doch ihr kleiner Major!« Aber Swetlana schaute nicht zu ihm herüber. Fieberhaft suchte er nach etwas, womit er sie davon
     überzeugen konnte, ihn wieder mit zurück ins Babyhaus zu nehmen. »Adela wird sich langweilen ohne mich. Ihr gefallen meine
     lustigen Geschichten.«
    Doch Swetlana drehte sich nicht mehr zu ihm um. Die Stellvertreterin bugsierte sie nach draußen und schloss die Tür hinter
     sich. Mit aller Kraft schleuderte Wanja seinen Körper gegen die Metallstäbe des Gitterbetts und schrie, so laut er nur konnte.
     »Lass mich nicht hier, Swetlana!« Er hörte, wie der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde.
     
    Es war mitten in der Nacht. Er hatte über Flucht nachgedacht, versucht, das Seitenteil seines Betts aufzubekommen, aber es
     war fest verschlossen. Dann hatte er die Gitterstäbe umklammert und versucht, sie mit allem, was sein schwacher Körper an
     Kraft mobilisieren konnte, auseinanderzuziehen. Schließlich war er vollkommen erschöpft auf der blanken Matratze zusammengebrochen.
     Ihm dämmerte, dass er, falls er es tatsächlich schaffen sollte, sich aus dem Bett zu befreien, als Nächstes vor dem Problem
     stand, die Tür aufzubekommen. Vom vielen Denken tat ihm der Kopf weh. Nun bemerkte er erst, wie kalt ihm war. Sie hatten ihm
     seine Kleider weggenommen, und eine Decke gab es nicht. Er begann zu weinen, doch es war niemand da, um ihn zu trösten. Er
     sehnte Wika herbei, die ihn herausheben, im Arm halten und wegbringen |79| sollte. Was hatte sie ihm gesagt, was er tun sollte? Sie hatte ihn ans Fenster gebracht und ihm gesagt, er solle in den Himmel
     schauen und zu Gott beten.
    Er fasste nach den Gitterstäben und sah sich nach einem Fenster um. Doch in seiner Nähe war keines, so dass er den

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