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Wolkengaenger

Titel: Wolkengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Philps , John Lahutsky
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Stimme vor lauter Knistern kaum.
    »Adela, sind Sie es?«
    Wieder konnte sie die Person am anderen Ende nicht verstehen und schrie daher: »Adela, ich muss mit Ihnen über Wanja sprechen.«
    |150| »Ja, es ist ein Wunder, nicht wahr?«, sagte die Stimme.
    Wika runzelte die Stirn. Wovon sprach Adela?
    »Aber Adela, ich habe nichts ausrichten können. Ich habe versagt. Es tut mir so leid.«
    Das Knistern in der Leitung wurde noch stärker. Sie verstand lediglich Wortfetzen, die sich anhörten wie: »Er ist hier. Er
     ist zurück.«
    »Wer? Wo zurück?« Wika sank zu Boden.
    »Wanja ist hier, zurück im Babyhaus. Sie haben ihn heute Morgen zurückgebracht«, fuhr Adela fort. »Er ist gerade angekommen.
     Kommen Sie, und schauen Sie selbst.«
    In weniger als einer Stunde war Wika im Babyhaus 10. Als sie in den Flur trat, traf sie dort niemanden an, doch vom anderen
     Ende drang lautes Schreien zu ihr herauf, und sie lief los. Sie kannte dieses Schreien, doch es konnte unmöglich Wanja sein.
     Warum sollte er ausgerechnet heute vollkommen hysterisch sein? Eine Frau in einem weißen Kittel kam ihr entgegen.
    Sie sah Wika vorwurfsvoll an. »Oh, Sie sind es. Vielleicht können Sie uns das erklären. Er will zurück ins Internat. Haben
     Sie uns nicht gesagt, das wäre ein so schrecklicher Ort?«
    Jetzt erkannte Wika, dass es tatsächlich Wanja war, der da schrie: »Ich will nach Hause!«
    »Wo ist er?«
    »Man hat ihn in die Gruppe 6 gebracht. Adela ist gerade nach oben gelaufen, um Walentina zu holen. Vielleicht bringt sie ihn
     ja zur Besinnung.«
    Wika rannte in den Raum der Gruppe 6. Mit hochrotem Kopf und tränenüberströmtem Gesicht wand sich Wanja in den Armen einer
     unbekannten Betreuerin. Dabei zeigte er nach oben und schrie: »Heim, heim, heim.« Wika hatte ihn noch nie in solch einem Zustand
     erlebt. Er war derart außer sich, dass er sie noch nicht einmal wahrnahm. Immer mehr Angestellte des Babyhauses scharten sich
     um ihn und starrten ihn stumm und verständnislos an. Ein derart eigensinniges Verhalten war ihnen bislang noch nicht untergekommen.
    |151| Doch sie mussten nicht lange auf eine Erklärung warten. Walentina erschien im Türrahmen, dicht gefolgt von einer zitternden
     Adela, der die Verantwortung für die Bewältigung der Krise schwer zu schaffen machte. Kaum hatte Wanja seine Lieblingsbetreuerin
     erblickt, stürzte er sich in ihre Arme und sank an ihre üppige Brust. Die Ruhe war wiederhergestellt. Mit der Erhabenheit
     eines Ozeanriesen trug Walentina Wanja zurück nach oben in das Zimmer, das sein einziges Zuhause darstellte. All die furchtbaren
     Strapazen der vergangenen acht Monate waren in seiner leidenschaftlichen Bitte, »heim« zu Walentina zu dürfen, aus ihm herausgebrochen.
     Für jedes andere Kind wäre der stille Raum mit den unheilbaren Fällen der letzte Platz auf Erden, an dem es leben wollte.
     Doch für Wanja, der soeben aus dem Gitterbett einer Irrenanstalt zurückgekehrt war, war dies sein Zuhause.
    Was Wika so verzweifelt versucht hatte zu erreichen, war plötzlich und vollkommen unerwartet eingetreten. Aber wie? Sie musste
     sich das erklären lassen. Adela war von ihren Gefühlen zu überwältigt, um sich verständlich zu äußern. Also erkundigte sich
     Wika beim Personal, wie es zu Wanjas Rückkehr ins Babyhaus hatte kommen können – etwas, das laut Aussage aller anderen undenkbar
     war.
    »Es wurde ein neues Gesetz verabschiedet«, sagte Adelas Stellvertreterin. »Es ermöglicht Wanja, zur Weiterbehandlung und Prüfung
     seiner Diagnose ins Babyhaus zurückzukehren.«
    »Was ist mit den anderen Kindern aus dem Internat? Sind sie auch wieder in ihren Babyhäusern?«, fragte Wika.
    »Nein. Das neue Gesetz wurde nur in Wanjas Fall angewandt. Die anderen wurden alle ins Internat 30 gebracht.«
    Wika versuchte, aus den verworrenen und bruchstückhaften Informationen schlau zu werden. Scheinbar waren die Behörden gezwungen
     gewesen, den Kindertrakt in Filimonki zu schließen, nachdem die dortigen Missstände aufgedeckt worden waren. Die Kinder waren
     daraufhin ins Internat 30, eine Anstalt am Stadtrand von Moskau, gebracht worden. Der Platz wurde für die erwachsenen Insassen
     benötigt.
    |152| Doch eine Frage blieb weiterhin offen. Wie war Wanja diesem Schicksal entronnen? Alle waren sich einig, dass es so etwas noch
     nie gegeben hatte. Die Rückkehr eines Kindes in ein Babyhaus war beispiellos. Adela sprach nur noch von einem »Wunder«.
    »In diesem schicksalhaften

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