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Wolkengaenger

Titel: Wolkengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Philps , John Lahutsky
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Florida.«
    »Er wäre sonst auch hierhergekommen. Lange hätte er hier nicht überlebt.« Sie erzählte Alan, dass Wanja es gewesen war, |143| der Andrej alles beigebracht hatte. Ohne ihn hätte Andrej niemals gelernt zu sprechen.
    Wika legte die restlichen Johannisbeeren in einer Reihe auf den Tisch und forderte Wanja auf, sie zu verteilen. Wie eine ausgetrocknete
     Pflanze, die endlich gegossen wurde, erwachte er langsam wieder zum Leben, teilte die Beeren aus und sagte an den richtigen
     Stellen bitte und danke.
    »Sehen Sie, was für ein intelligenter Junge er ist?«
    »Ja. Kein Unterschied zu meinem Sohn.«
    Die Betreuerin betrat mit einer Schüssel dünner Suppe und einem Stück hartem Brot den Raum und setzte beides vor Wanja ab.
     »Wenn Sie schon mal da sind, können Sie ihn auch füttern. Danach müssen Sie gehen.«
    Wika fragte, ob sie auch das kleine Mädchen, das in dem Bett neben Wanja lag, füttern dürften, und ging los, um sie zu holen.
     »Das ist Sweta«, sagte sie, und setzte sie Alan auf den Schoß. »Wir müssen ihr etwas zu essen einflößen. Sie isst so gut wie
     nichts, wurde mir gesagt.«
    Sie steckte Sweta einen Löffel Suppe in den Mund, woraufhin das Mädchen vor Schmerz zusammenzuckte und den Kopf wegdrehte.
    »Es ist vermutlich zu heiß«, sagte Alan. »Als Vater sage ich Ihnen, dass Sie erst pusten müssen, um es abzukühlen.«
    »Und als studierte Physikerin sage ich Ihnen, dass mir dieses Prinzip geläufig ist.«
    Umsorgt von einem Vater und einer Physikerin gewann Sweta ihren Appetit zurück.
    Alan kam auf eine Idee für den Artikel und erzählte Wika davon: »Zwei kleine Jungs werden in einem Babyhaus zu Brüdern. Doch
     ihr jeweiliges Schicksal könnte unterschiedlicher nicht sein: Während der eine in einer russischen Irrenanstalt auf dem Land
     eingekerkert wird, steuert der andere auf Florida und ein Leben in Freiheit zu. Die Geschichte zweier Jungs – so verpacken
     wir es. Das kann selbst der hartherzigste Redakteur nicht ablehnen. Aber ich brauche ein Foto. Ohne das richtige Bild kann
     ich die Geschichte nicht bringen.«
    |144| Er war bereits im Begriff aufzustehen, als er scheinbar überrascht feststellte, dass Sweta noch immer auf seinem Schoß saß.
     Er registrierte, dass sie, und dementsprechend seine Schenkel, vollkommen durchnässt waren.
    »Wika, ich muss unbedingt meine Kamera holen«, sagte er. »Ich brauche ein Bild von Wanja.«
    »Nein. Das bedeutet nur Probleme«, sagte sie bestimmt.
    »Wika, Wika«, meldete sich nun Wanja zu Wort. Niemand beachtete ihn.
    »Sie wissen nicht, wie das bei der Presse läuft. Ohne das richtige Bild bringe ich Wanjas Geschichte nicht in der Zeitung
     unter.«
    »Und Sie wissen nicht, wie schwer es ist, hier hereinzukommen.« Zur Untermauerung ihres Standpunkts fuchtelte Wika mit dem
     Löffel in der Luft herum und verspritzte die Suppe über den ganzen Boden. »Die können mir jederzeit die Tür vor der Nase zuknallen.«
    »Ich bin hierhergekommen, um etwas für den Jungen zu tun, und nicht nur, um mich vollpinkeln zu lassen.« Wütend starrten sich
     die beiden über Swetas Kopf hinweg an.
    »Wika, Wika! Onkel Alan!« Diesmal schenkten sie Wanja Beachtung. Verblüfft, dass er sich den englischen Namen gemerkt hatte,
     drehten sie sich zu ihm um. Er lächelte sie an und zeigte zum Fenster. »Es hat aufgehört zu regnen. Gehen wir jetzt raus?«
    Vom Personal, das die Besucher bis eben noch gedrängt hatte, baldmöglichst wieder zu gehen, war nun keine Spur mehr. Nachdem
     sie die Kinder gefüttert hatten, machten die Betreuerinnen nun Pause, und so brachte Wika zunächst Sweta zurück, dann nahm
     sie Wanja und trug ihn den Flur hinunter, wo sie auf Ilja, den jungen Mann, der ein Kreuz an einem Schnürsenkel um den Hals
     trug, trafen.
    »Ilja, ich hatte gehofft, dich heute zu sehen. Wir nehmen Wanja mit nach draußen.«
    »Ich komme mit.«
    Draußen hatte der Regen die Welt reingewaschen. Dankbar, |145| dem Fäkaliengeruch entkommen zu sein, atmeten sie die frische Luft in tiefen Zügen ein, und schlenderten an der Ruine der
     roten Backsteinkirche entlang. Am Fuß der Mauern spross üppig das Unkraut, und rings herum standen hohe, unbeschnittene Bäume,
     die wirkten, als versuchten sie, das Gemäuer vor neugierigen Blicken zu schützen. Einzig die Kirchturmspitze und die blinden
     Fensterhöhlen des Mittelschiffs trotzten dem Laubwerk und überragten es.
    Jenseits der Kirche standen auf einer ungemähten Wiese verstreut

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