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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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uns war alles klar, von Anfang an gewesen und jetzt durch diesen Kuss einfach nur besiegelt.
    Schließlich wandten wir uns vom Kamin ab, beide erleichtert, beide völlig fertig und ein bisschen wackelig auf den Beinen. Christoph löschte das Feuer, ich brachte die Gläser in den Geschirrspüler und sah mich um, ob wir sonst noch irgendwelche verräterischen Spuren hinterlassen hatten. Christophs Sperma war vorhin einfach ins Feuer gespritzt und verdampft. Ein unangenehmes Ende für die kleinen Kerle da drin, aber immer noch besser, als einen von vornherein aussichtslosen Kampf im dichten Gummi kämpfen zu müssen!
    Wir zogen uns ins obere Schlafzimmer zurück. Kühles Mondlicht tauchte unser Bett in Silber, und ich kuschelte mich dicht an Christophs warmen Körper. Er streichelte gedanken-verloren meinen Arm. Dann seufzte er sorgenschwer auf. Sofort war ich alarmiert: „Was ist los?“ Mittlerweile hörte ich seine Stimmung sofort heraus.
    „Ich habe gerade darüber nachgedacht, ob wir überhaupt eine Zukunft haben. Ich meine: du bist mein Cousin, vier Jahre jünger und noch in der Schule. Ich bin bald mit dem Studium fertig und muss dann sehen, ob ich irgendwo einen Job finde. Das sind keine besonders rosigen Aussichten, findest du nicht?“
    Ich dachte nach. Dann resümierte ich: „Eigentlich haben wir eine genauso große Chance wie andere Paare auch. Ich werde die Schule beenden und mir einen Studienplatz suchen. Vielleicht klappt es ja in München. Du hast doch noch ein paar Semester vor dir, nicht wahr? Wir könnten uns eine kleine Wohnung nehmen, oder preisgünstiger hier wohnen. Und dass ich dein Cousin bin und vier Jahre jünger, hat dich bis jetzt doch auch nicht von irgendetwas abgehalten, oder?“ Ich knuffte ihn provokativ in die Seite.
    Aber er war noch nicht fertig. „Ich frage mich auch, wie wir das unseren Eltern beibringen sollen.“
    Nach einem guten Liebesspiel schien Christoph extrem sensibel und sehr anfällig für Sorgen und Zweifel zu sein. Ich dagegen hatte in diesen Minuten der totalen Entspannung offenbar genug Lebensmut und Zuversicht für uns beide. Deshalb munterte ich ihn auf: „Also deine Mutter scheint es ja schon zu wissen und eigentlich auch mit nichts anderem mehr zu rechnen. Du hast doch mit ihr schon gesprochen. Und was meine Eltern angeht – das kriege ich schon irgendwie hin. Meine Mutter auf alle Fälle, die ist ja im Grunde wie deine. Und mein Vater ...“ – bei dem Gedanken an das mir bevorstehende Gespräch mit ihm jagte mir ein leiser Schauer über den Rücken – „das wird sich dann schon zeigen“, ergänzte ich leichthin. Irgendwie würde es schon gehen. „Wichtig ist nur, dass du zu mir stehst und ich zu dir.“
    Christoph lächelte in die Dunkelheit hinein. „Meine Worte.“
    „Habe ich mir gut gemerkt, als dein Musterschüler.“
    „Übrigens bist du jetzt nicht mehr mein Schüler, und ich nicht mehr dein Lehrer.“
    „Nein?“ Ich richtete mich überrascht auf. Was kam denn jetzt?
    „Das Wesentliche habe ich dir beigebracht. Es gibt noch unzählige Variationen, aber die kannst du mit der Zeit allein herausfinden.“ Christoph schmunzelte mir zu, seine Diamantaugen blitzten im Mondlicht. „Deine Lehrzeit ist vorüber. Du hast heute dein Gesellenstück abgeliefert, und ich habe es für gut befunden, wie du unschwer erkennen konntest.“ Ihn gleich zweimal soweit zu kriegen, hatte mich positiv überrascht und auch ein bisschen stolz gemacht.
    „Und wie geht es jetzt weiter?“, fragte ich völlig irritiert.
    Er nahm mein verdutzt dreinschauendes Gesicht in seine Hand, küsste mich zärtlich auf den Mund und flüsterte: „Wie die Geschichte ab hier weitergeht, weiß ich auch noch nicht so genau. Aber wenn du magst, dann bin ich jetzt neben deinem Cousin auch dein Freund, dein Partner, dein Lover. Und du meiner.“
    Ich grinste erleichtert. „Okay, da hätte ich nichts dagegen!“

X
    Drei Tage später standen wir zu dritt im Münchner Flughafengebäude und warteten, dass Christophs Flug aufgerufen wurde. Er würde zunächst nach Frankfurt fliegen und von dort aus weiter nach Ottawa. Es war ein strahlend schöner Sommertag, draußen herrschten fast unerträgliche vierunddreißig Grad Celsius, während die Abflughalle angenehm klimatisiert war. Eigentlich war es das beste Reisewetter. Aber keiner von uns schien die warmen Sonnenstrahlen oder die Kühle der Klimaanlage überhaupt wahrzunehmen.
    Tante Melanie sah traurig aus und war sehr nervös.

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