Wollust - Roman
Jeans. Und Sandalen.«
»Klingt mehr nach Hollywood als nach Anwalt oder Börsenmakler« , meinte Oliver.
»Stimmt, er sah tatsächlich nach Hollywood aus. Oder tat so wie Hollywood.«
»Glauben Sie, Sie könnten sein Gesicht identifizieren?«, fragte Marge.
»Ich hatte ihn ganz gut im Blick. Er hatte ein eckiges Kinn, männliche Gesichtszüge. Dunkle Augen.«
»Hätten Sie Zeit, morgen aufs Revier zu kommen und mit einem Polizeizeichner zu arbeiten?«, schlug Oliver vor.
»Glaub schon.«
»Das wäre toll«, sagte Marge. »Vielen Dank. Sie haben uns sehr geholfen. Gibt es eine Telefonnummer, unter der wir Sie erreichen können?«
Yvette wühlte in ihrer Tasche herum und reichte ihnen schließlich eine Visitenkarte.
THE YVETTE JACKSON BAND
Profis für Jazz, Rock und Klassiker
Auf Ihrer nächsten Cocktailparty
lassen wir die Rakete starten
Unter der Woche Sondertarife
Handynummer und E-Mail-Adresse standen darunter. »Sie sind Sängerin?«, fragte Marge.
»Sängerin, Tänzerin, Musikerin. Ich habe fünf Jahre an der Western Conservatory School of Music studiert. Meinen Abschluss habe ich in Klassischer Gitarre gemacht, ach, Schwamm drüber. Niemand wacht morgens auf und beschließt, Kellnerin zu werden, aber die Bezahlung ist ziemlich gut, wenn man sein Ego unterdrückt und einfach seinen Job erledigt. Ich habe ein nettes Lächeln und große Titten. Bis jetzt erinnern sich die meisten Stammkunden an meine Ausstattung, wenn es ums Trinkgeld geht.«
»Danke für die Karte«, sagte Marge. »Vielleicht rufe ich Sie mal an. Zufälligerweise mag ich klassische Gitarre.«
»Ich auch, aber sie bringt Nachteile mit sich. Wir Spieler
sind ungefähr so gesucht wie eine Schreibmaschine. Es gibt da einen alten Witz: Was ist der Unterschied zwischen dem Spieler einer klassischen Gitarre und einer Pizza?«
»Ich passe«, sagte Oliver. »Sagen Sie’s mir.«
Sie stand vom Tisch auf. »Mit einer Pizza kann man eine vierköpfige Familie ernähren.«
Der Junge telefonierte gerade mit seinem Handy, als Decker ins Zimmer kam. Seine Kleidung lag ordentlich ausgebreitet auf dem Bett. Dem Tonfall nach zu urteilen war er aufgewühlt. »Ist schon gut, Missy, dann klappt’s bestimmt beim nächsten Mal …« Gabe verdrehte die Augen. »Ich glaub nicht, aber danke fürs Angebot … ja, ich bin mir ganz sicher. Keine Sorge. Okay … okay … okay, ich ruf dich an, wenn du wieder da bist. Tschüss.«
Er beendete das Gespräch, warf sein Handy aufs Bett und sah Decker an. »Hallo.«
Decker warf einen Blick auf die Klamotten. »Willst du verreisen?«
»Ich hielt es für eine gute Idee, ein bisschen Zeit mit meiner Tante zu verbringen. Aber sie fährt übers Wochenende nach Palm Springs.« Gabe ließ sich aufs Bett plumpsen und verbarg seinen Kopf in der rechten Hand, während er die linke immer wieder in den Eissack steckte, der nur noch eine Mischung aus Wasser und Matsch enthielt. »Meine Mutter hat sie unterstützt, seit sie vor drei Jahren von zu Hause ausgezogen ist. Meine Mom ist verschwunden. Vielleicht sogar tot. Man sollte meinen, dass meine Tante sich wenigstens ein bisschen dafür schämt, mit ihren Freundinnen in Palm Springs zu feiern.«
Decker sagte nichts.
»Keine Ahnung«, sagte Gabe, »vielleicht weiß sie es ja tatsächlich besser, vielleicht weiß Chris es ja auch besser. Natürlich
ist es einfacher, sich einen Dreck um irgendwas zu scheren.«
»Pass auf, dass deine Hand nicht zu kalt wird«, bemerkte Decker.
»Sie haben recht.« Gabe zog sie aus dem Sack und streckte seine Finger. Sie waren steif, aber er konnte sie bewegen. Er drehte sein Handgelenk.
»Wie fühlt es sich an?«
»Das wird wieder.« Er sah auf. »Es tut mir leid, Lieutenant.«
»Dass du überfallen wurdest?«
»Ich hätte ihm die Tasche einfach geben sollen.«
»Das wäre vernünftig gewesen. Was ist denn so Wertvolles in dieser Tasche?«
»Notenblätter.« Grüne Augen wichen Deckers Blick aus. »Die Knarre liegt jetzt in dem Koffer da. Ich hab das Magazin rausgenommen.«
»Darf ich sie mir ansehen?«
»Klar.«
Decker holte den Koffer wieder vom Bett herunter, nahm die Waffe und das Magazin heraus und ließ beides in einen Beweisbeutel plumpsen. Dann setzte er sich auf das gegenüberliegende Bett. »Das war also kein Scherz. Warum hast du dich entschlossen, den Typen fertigzumachen?«
»Ich hab nicht nachgedacht, sondern einfach nur zugeschlagen.«
»Wegen Notenblättern?«
Wieder sah der Junge weg. Diesmal sagte er
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