Women of the Otherworld 02: Rückkehr der Wölfin
Boden. Die Waffe segelte zur Seite davon. Seine Hand flog hoch, nicht in meine Richtung, sondern nach links über den Erdboden. Scheiße. Die andere Waffe. Die richtige Waffe.
Ich rollte zur Seite und trat die Waffe außer Reichweite. Er kam auf die Knie, hob die Faust und zögerte. Männer taten das immer. Es war wie eine tief verwurzelte Schulhofregel. Jungs schlagen keine Mädchen. Niemals. Meistens zögerten sie nur einen Moment lang, bevor ihnen aufging, dass es bei jeder Regel Ausnahmen gab. Trotzdem gab es mir genug Zeit, mich zu ducken, was ich auch tat. Ich rammte ihm die Faust in die Eingeweide. Er krümmte sich, immer noch auf den Knien. Ich packte ihn an den Haaren und rammte sein Gesicht auf den Boden. Allerdings erholte er sich schnell – zu schnell, als dass ich ihm den Hals hätte brechen können. Sein Blick suchte sofort nach der Waffe. Als er sich nach vorn warf, riss ich sie aus seiner Reichweite, schwang den Arm nach hinten und rammte ihm den Lauf ins Herz. Seine Augen weiteten sich, und er sah hinunter auf die Waffe, die ihm aus der Brust ragte, berührte das Rinnsal von Blut, das aus der Wunde tröpfelte, runzelte verwirrt die Stirn, schwankte einmal und kippte nach hinten. Clay trat aus dem Wald, sah auf den Mann hinunter und legte den Kopf zur Seite.
»Hey, Darling«, sagte er. »Das ist aber gemogelt. Werwölfe verwenden keine Schusswaffen.«
»Ich weiß. Ich schäme mich ja auch.«
Er lachte. »Wie fühlst du dich nach diesem Pfeil?«
»Nicht mal ein Gähnen.«
»Gut, es ist nämlich noch einer übrig. Der Typ ist in Richtung Sumpf gelaufen. Ich dachte, ich komme erst mal zurück und sehe nach, ob du Hilfe brauchst, bevor wir ihn jagen. Er wird nicht weit kommen.«
»Wandlung«, sagte Jeremy im Näherkommen. »Das ist sicherer. Was machen deine Arme, Elena?«
Ich zog die Pflaster ab und zuckte zusammen, als sie sich lösten. Wir erholen uns schnell, aber mehr als ein paar Stunden braucht der Heilungsprozess auch bei uns.
»Wird okay sein«, sagte ich.
»Gut. Nur zu also. Um diese beiden kümmere ich mich.«
Clay und ich gingen, um uns einen geeigneten Platz für die Wandlung zu suchen.
Nach zwölf Jahren hatte ich die Wandlung innerlich zur Wissenschaft erklärt – eine nüchterne Abfolge von Schritten, an die ich mich eisern hielt, um mich von den damit verbundenen Schmerzen abzulenken. Erster Schritt: Eine möglichst einsame Lichtung im Wald finden, denn keine Frau, eitel oder nicht, will mitten in einer Wandlung gesehen werden. Zweiter Schritt: Die Kleider ausziehen und sauber zusammenlegen – so jedenfalls lautete die Theorie, obwohl meine Sachen in der Praxis aus irgendeinem Grund hinterher immer mit der Innenseite nach außen von irgendwelchen Zweigen hingen. Dritter Schritt: Körper in Position bringen – auf allen vieren, Kopf zwischen den Schultern, Gelenke locker, Muskeln entspannt. Vierter Schritt: Konzentrieren. Fünfter Schritt: Nach Möglichkeit nicht schreien.
Als ich die Wandlung hinter mich gebracht hatte, ruhte ich mich aus, dann stand ich auf und streckte mich. Ich liebte es, mich als Wolf zu strecken, den Veränderungen meines Körperbaus nachzuspüren, der neuen Art, wie meine Muskeln arbeiteten. Ich begann mit den Pfoten, drückte die Klauen in die Erde und stemmte mich mit allen vier Beinen gegen den Boden. Dann machte ich einen Buckel, hörte den einen oder anderen Wirbel knacken und schwelgte im völligen Fehlen jeder Rücken- oder Nackensteife, all der kleinen Beschwerden der Zweibeinigkeit, mit denen die Menschen leben. Ich bewegte das untere Rückgrat, wölbte den Schwanz über meinem Rücken, ließ ihn wieder sinken und von Seite zu Seite schwingen, so dass die Haare über meine Hinterbeine fegten. Schließlich der Kopf. Ich ließ die Ohren kreisen und suchte nach mindestens einem neuen Geräusch, vielleicht einem eine Meile weit entfernten Specht oder einem Käfer, der sich in der Nähe durch die Erde grub. Ich spielte das gleiche Spiel mit der Nase, schnupperte und entdeckte etwas Neues, Kuhdung auf einem fünf Meilen entfernten Feld oder Rosen, die in einem Garten blühten. Meine Sehfähigkeit war als Wolf allerdings eher geringer, aber ich blinzelte, sah mich um und stellte meine Nachtsicht ein. Ich sah nicht schwarzweiß wie die meisten Tiere, sondern eine gedämpfte Palette von Farben. Schließlich zog ich die Lefzen zu einem spielerischen Fauchen zurück und schüttelte den Kopf. Na bitte. Aufwärmphase beendet. Bereit zum
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