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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Werner
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Wort »Logos«, das in dem Wort Dialog enthalten ist, bedeutet gleichermaßen »Wort« und »Sinn«. Die Kombination »Dia Logos« bedeutet wortwörtlich übersetzt also »durch das Wort«, aber auch »durch den Sinn«.
    Dialogische Führung heißt also nicht nur, dass die Menschen miteinander reden, sondern auch, dass sie im Gespräch Sinn vermitteln. Das klingt vielleicht banal. Denn natürlich redet man miteinander, um sich irgendetwas Sinnvolles mitzuteilen. Aber sehr oft tun wir das eben gerade nicht.
    Führung zur Selbstführung
    In vielen Unternehmen finden Gespräche statt, die keineswegs darauf zielen, den Sinn zu vermitteln. Auch bei dm haben wir sehr lange – Stichwort Harzburger Modell – die Aufgaben angewiesen. »Dienstanweisung« und »Erfolgskontrolle« waren zentrale und sehr genau definierte Vokabeln im Harzburger Modell. Also haben auch wir unsere Mitarbeiter angewiesen, Dinge zu tun, und später überprüft, ob diese Maßnahmen Erfolg hatten. Sinn? Kam nicht vor.
    Dabei ist das sehr einfach: Irgendwann haben wir den Mitarbeitern keine schlichten Anweisungen mehr gegeben, sondern wir haben ihnen erklärt, warum etwas zu tun ist. Wir haben das Prinzip erläutert, warum ein neuer Artikel gelistet wird oder warum sich das Sortiment verändert. Im ersten Schritt haben wir also nur geringfügig unser Sprachverhalten verändert, aber diese Nuance hat unser Bewusstsein verändert. In Situationen, in denen wir bislang gesagt haben, das und das ist so und so zu erledigen, haben wir fortan die Gründe dafür erklärt. Das kann man sich leicht angewöhnen. Und es ist verblüffend, wie sich dieses neue Bewusstsein quasi von selbst durchsetzt. Das liegt daran, dass es dem menschlichen Wesen entspricht. Wir wollen das zugrundeliegende Prinzip verstehen. Dann können wir das Prinzip in der örtlichen Gegebenheit konkret und variabel umsetzen.
    Und das war erst der Anfang. Dialogische Führung ist kein Programm, bei dem man einen Schalter umlegt und fortan alles anders ist. Anders als bei der Implementierung einer neuen Software kann man nicht einfach ein neues Betriebssystem aufspielen und fortan läuft alles anders, schneller, besser. Das Ganze war ein langsamer Prozess, der sich über Jahre vollzog. Jeder Mitarbeiter war daran beteiligt und war aufgefordert, sich und sein Verhalten immer wieder zu hinterfragen. Das findet kein Ende, sondern muss jeden Tag aufs Neue geübt werden.
    Wir entwickelten eine Art des Umgangs miteinander, die die Selbstbestimmung des Einzelnen förderte. Manche Leute meinen, wir praktizieren bei dm eine Art von antiautoritärer Führung oder nutzen fälschlicherweise Bezeichnungen wie »kooperative Führung«. Es geht um deutlich mehr. Hintergrund der dialogischen Führung ist die Idee des ethischen Individualismus, wie ihn Rudolf Steiner in seinem Buch »Die Philosophie der Freiheit« beschrieben hat. Die Frage war, wie die freie, sich selbst im Ganzen orientierende Persönlichkeit wirksam werden kann. »Führung zur Selbstführung« ist die einzig legitime Aufgabe der Führung. »Führung« wird zur »Selbstführung«.
    Konkret beschlossen wir zum Beispiel irgendwann: Wir geben keine Anweisungen mehr! Wir geben Empfehlungen, und wir treffen Vereinbarungen .
    Was ist der Unterschied? Nun, Empfehlungen funktionieren wie ein Kuchenrezept. Entweder macht man es so, wie es im Rezept steht, oder man versucht, es besser zu machen, indem man ein Ei mehr hineingibt oder noch ein Gewürz dazu. Das Rezept ist das Grundmuster. Was man draus macht, ist das individuelle Werk.
    Eine Vereinbarung ist etwas, was man auf Augenhöhe offen und klar ausverhandelt. Man stellt sich gemeinsam die Frage: Wie kommen wir am besten ans Ziel? Und dann vereinbart man das Vorgehen. Dialogische Führung haben wir das genannt. Entscheidend ist die gemeinsame Augenhöhe, also nicht mehr das Vorgesetzten-Mitarbeiter-Verhältnis von oben nach unten, sondern das direkte Gegenüber. Der eine hat diese Verantwortung, der andere hat jene Verantwortung. Der Gebietsverantwortliche hat die Verantwortung für ein ganzes Gebiet, der Filialleiter die Verantwortung für eine Filiale. Jeder muss seiner Verantwortung gerecht werden. Das ist die Ausgangssituation. Was können wir jetzt machen, damit beide das Vorgehen verantworten können? So kommt man zu einer klaren Vereinbarung.
    Bestimmte Sprüche, die man früher auch bei uns im Unternehmen hören konnte – »Du hast jetzt das zu machen, weil ich das will, und wenn du das

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