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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
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erreichten gleichzeitig den Eingang, ich öffnete die Tür und
ließ ihr den Vortritt. Dies, liebste Hannah, war der Beginn und das Ende meiner
Beziehung zu der besagten jungen Dame in Grün.«
    Neal
schwieg und schaute Hannah an, in deren Augen sich alle möglichen Gefühle
spiegelten. Auch er fühlte sich von heftigen Empfindungen überwältigt. Er hatte
so lange von diesem Wiedersehen geträumt, es in seiner Vorstellung immer
wieder abgewandelt, dass es ihm jetzt fast unwirklich erschien.
    Allein
schon ihr Anblick verschlug ihm die Sprache. Bereits gestern Abend war er wie
berauscht von ihr gewesen. Ihr entblößter Nacken und ihre Schultern, und dazu
dieser Busenansatz! So blass und weich war er gewesen, dass man kaum den
Übergang zum weißen Satin hatte ausmachen können. Er dachte daran, wie er
damals, vor dem Australia Hotel, kurz
ihren Busen erspäht und es ihn schier umgeworfen hatte, sein Taschentuch an
einer solch erotischen Stelle zu entdecken. »Hannah, mein Gott, Hannah«,
stammelte er mit erstickter Stimme, wiederholte ihren Namen immer wieder, seine
Augen erfassten jedes Detail an ihr, von dem glänzenden, über die Ohren
geschwungenen und hinten zu einem Knoten zusammengefassten Haar bis zu dem
einzelnen schwarzen Pünktchen in der grauen Iris ihres rechten Auges.
    »Hannah,
bitte setz dich«, sagte er schließlich gepresst.
    Als sie
wieder auf der Gartenbank Platz nahm, völlig durcheinander und wie benommen
von der Erkenntnis, dass es keine Verlobte gab, sagte Neal: »In Gedanken habe
ich diesen Augenblick so viele Male durchgespielt, und jetzt fehlen mir die
Worte.« Er kniete vor ihr nieder, umfasste ihre Hände. »Hannah Conroy«, sagte
er, »noch nie habe ich für eine Frau so viel empfunden wie ich für dich
empfinde. Ich liebe dich. Vor sechs Jahren, auf der Caprica, hast du mein Herz gestohlen. Als wir damals in Perth Abschied voneinander nahmen, stand bereits für mich fest, dass ich
den Rest meines Lebens mit dir verbringen möchte.« Er gab ihre Hände frei und
zog aus seiner Hosentasche eine kleine Schachtel. Er öffnete sie und hielt den
Brillantring, der sich darin befand, in das Licht, das durch das Glasdach
drang. »Möchtest du mich heiraten, Hannah? Ich verspreche dir, mein Leben lang
für dich zu sorgen, dich zu lieben und zu ehren. Ohne dich bin ich nur der
Schatten eines Mannes. Du und ich sind zwei Bände eines Buches. Du bist meine
Ergänzung, Hannah Conroy. Bitte sag, dass du meine Frau werden möchtest.«
    Sie hatte
kaum genug Atem, um »Ja« zu sagen.
    Mit einem
Freudenjauchzer riss Neal sie in die Arme und trug sie, seine Lippen auf die
ihren gepresst, zur Treppe.
     
    Kaum dass
die Kutsche unter einer Straßenlaterne zum Stehen kam, stieg der Passagier,
ohne die Hilfe seines Kutschers in Anspruch zu nehmen, aus. Dr. Iverson war
verärgert und gleichzeitig in Eile. Dr. Soames, sein junger Kollege, hatte,
ohne nähere Angaben zu machen, um ein dringendes Treffen im Hospital gebeten.
Sir Marcus hatte also notgedrungen das festliche Abendessen verlassen müssen,
an dem auch der Vizegouverneur und andere hochrangige Regierungsbeamte
teilnahmen, und entsprechend missgelaunt stürmte er jetzt in die verwaiste
Eingangshalle des Victoria Hospitals und von dort aus, ohne Cape oder Zylinder
abzulegen, die Treppe zur Frauenstation hoch.
    An der
Längsseite des Saals, in dem Frauen schliefen oder stöhnten oder schwer
atmeten, bildeten Laternen und Kerzen kleine Lichtinseln. Augenblicklich stieg
Iverson der stechende Geruch von Chlor in die Nase, immerhin ein Zeichen, dass
die Luft mit getränkten Tüchern vorschriftsmäßig desinfiziert wurde. Am Ende
des Saals sah er Dr. Soames, der sich gerade über ein Bett beugte und der
Patientin den Puls fühlte.
    Edward
Soames war ein umsichtiger und methodischer Arzt, hatte in Oxford studiert und
im St. Bart sein Praktikum absolviert. Dass er zur Fülle neigte, drückte sich
auch in seinem rundlichen, jungenhaften Gesicht aus. Er hatte rötlich goldenes
Kraushaar und trug eine Brille, die man eher als Nasenzwicker bezeichnen
konnte. Im Grunde war er ein zurückhaltender Mann, der um das Wohl seiner
Patienten ehrlich besorgt war, der aber, wie Iverson fand, wie viele junge
Ärzte den Hang hatte, Vorkommnisse aufzubauschen.
    »Wo
brennt's denn?«, fragte Iverson und stellte nach einem Rundumblick fest, dass
es offenbar keinerlei Anlass gab, von einem wichtigen Abendessen abberufen zu
werden. Die Frau, um die sich Soames da kümmerte, war nicht

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