Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
Vom Netzwerk:
den
Sandsturm sich selbst überlassen hatte und darüber hinaus ein Betrüger gewesen
war, dass seinen berühmten Büchern die Erfahrungen anderer Männer zugrunde
lagen oder Geschichten waren, die er vom Hörensagen kannte und die er mit einer
gewissen dichterischen Freiheit aufbereitet hatte. Da es zu nichts führte, den
Namen eines Toten zu verunglimpfen, hielt Neal es für angebrachter, sich auf
seine positiven Erfahrungen zu beschränken.
    Er schlug
die Decke zurück, stand auf und trat ans Fenster - was Hannah Gelegenheit bot,
sich am Anblick seines vom Mondlicht umflossenen muskulösen Körpers zu weiden,
während er die unten auf der Straße vorbeiziehenden Pferde und Kutschen beobachtete,
hin und wieder auch ein paar Fußgänger, wenn sie vom Schein der Straßenlaternen
erfasst wurden, um gleich wieder in die Dunkelheit einzutauchen. »Wenn man sich
vorstellt«, sagte er leise, »dass hier vor siebzehn Jahren noch nicht einmal
ein Dorf war. Weißt du eigentlich, Hannah, dass John
Batman diesen gesamten Grund und Boden den Aborigines abgekauft
hat? Er hat ihnen dafür Decken gegeben, Kleider, Tomahawks und fünfzig Pfund
Mehl. Fragt sich nur, ob sie wussten, auf was für einen Handel sie sich da
einließen. Und heute leben sie, die ursprünglichen Bewohner, entweder in
christlichen Missionen oder in einem Reservat der Regierung.«
    »Könnte es
nicht sein, dass sie lieber als freie Menschen im Outback leben würden?«
    »Das ist
nicht ihr altangestammtes Territorium. Das ist und bleibt der Grund und Boden,
auf dem Melbourne errichtet wurde, und deshalb halten sie sich weiterhin hier
in der Nähe auf, auch wenn ihnen der Zutritt zu ihren heiligen Stätten verwehrt
ist. Ehrlich gesagt, Hannah, bin ich der Meinung, dass einige von ihnen tatsächlich
glauben, der weiße Mann würde eines Tages zusammenpacken und verschwinden.«
    Er wandte
sich zu ihr um. »Hannah, ich habe im Nullarbor etwas erlebt, was ich als
spirituelle Erleuchtung bezeichnen würde. Auch wenn ich nicht weiß, wie, ist
mir klargeworden, dass Josiah Scott mein leiblicher Vater ist und dass ich
nicht vor seiner Türschwelle abgelegt wurde.«
    Sie setzte
sich im Bett auf. »Das ist ja wunderbar, Neal! Hast du ihm das geschrieben?«
    »Ich habe
lange hin und her überlegt und mich dann dafür entschieden, seine Version zu
akzeptieren. Er muss seine
Gründe gehabt haben, mir die Wahrheit über meine Mutter und sich selbst zu
verschweigen. Vor acht Jahren, als ich Boston in Richtung England verließ,
wäre Gelegenheit gewesen, Klartext zu reden. Aber er zog es vor, sein Geheimnis
für sich zu behalten, und das werde ich weiterhin respektieren.«
    »Wie ist
diese Erkenntnis im Inneren jenes Berges über dich gekommen?«, fragte Hannah
nach, während sie den Blick ehrfürchtig über die kleinen runden Narben und
Schlangenlinien auf seinem Oberkörper wandern ließ, über dieses so merkwürdige
rote Muster auf seiner hellen Haut.
    »Das kann
ich nicht beschreiben. Ich weiß nur, dass mich dieses Erlebnis nachhaltig
beeindruckt hat. Ich bin ins Nullarbor gezogen, um alles, was ich dort finden
würde, zu messen, zu zählen und zu klassifizieren. Stattdessen kam ich mit der
Erkenntnis zurück, dass es Geheimnisse gibt, die sich wissenschaftlich nicht
erklären lassen. Die Initiation, Hannah, hat in mir etwas bewirkt, was schwer
zu beschreiben ist. Durch sie wurde ich Teil dieses Landes. Als mein Blut in
die rote Erde sickerte, sangen schwarze Männer Gebete, die älter sind als
unsere Zeitrechnung. Ich begab mich auf die heilige Wanderung und fand mich im
Inneren eines roten Berges wieder. Ich gehöre hierher, Hannah. Vielleicht ist
dies ein weiterer Grund, an der Beziehung zu meinem Vater, so wie er sie
darstellt, nicht zu rütteln. Sie gehört zu einem anderen Leben. Jetzt findet
mein Leben hier statt.
Allerdings muss ich noch viel
mehr über meine neue Heimat in Erfahrung bringen. Ich muss hinausziehen und Australien erforschen und auf Glas bannen. Und noch
etwas«, fügte er hinzu. »Ich bin kein Gottloser mehr, auch wenn ich das noch
nicht ganz verstehe. Auch dem muss ich
nachgehen.«
    »Bei
deinem Aufbruch aus Adelaide galt dein Sinnen und Trachten der Zukunft. Und
jetzt, da du zurück bist, hängst du der Vergangenheit nach.«
    Sie
schlüpfte aus dem Bett und trat zu ihm ans Fenster. Abgesehen davon, dass die
Vorhänge zugezogen waren, schämte sie sich nicht ihrer Nacktheit, genoss es
vielmehr, keine beengenden Kleider zu tragen, die Nachtluft auf

Weitere Kostenlose Bücher