Wood, Barbara
einmal Dr. Iversons
Patientin.
Man hatte
die Betreuung der Station aufgeteilt, jedem der beiden Ärzte war eine Reihe
von zwanzig Betten unterstellt. Wöchnerinnen und Patientinnen mit
gynäkologischen Problemen wurden von Iverson behandelt, alle anderen
Unpässlichkeiten und Beschwerden von Soames.
»Ein
weiterer Fall von Kindbettfieber, Sir«, sagte der jüngere leise.
Sir Marcus
musterte die Bettenreihe der von ihm betreuten Patientinnen. »Wann ist die
Aufnahme erfolgt? Ich hatte eigens angeordnet, keine Hochschwangere mehr
aufzunehmen, bis wir das Fieber unter Kontrolle haben.«
»Das ist
es ja eben, Sir«, sagte Soames, während er den Arm seiner Patientin sinken ließ
und ihr beruhigend die Hand tätschelte. »Es handelt sich um Molly Higgins, eine fünfzigjährige Wäscherin, die gestern mit einer
ausgekugelten Schulter zu uns kam.«
»Und?«
»Sie ist
an Kindbettfieber erkrankt.«
»Das kann
nicht sein«, meinte Iverson abschätzig.
»Das
dachte ich zunächst auch, Sir, aber ich habe sie mir genau angesehen. Bis auf
die Schulter ging es ihr gestern noch gut, gegen Mittag dann zeichneten sich
bei ihr die entsprechenden Symptome ab. Inzwischen besteht kein Zweifel mehr.«
Dr.
Iverson streifte seine Handschuhe ab und trat an das Bett, in dem Molly Higgins schlief. Er prüfte ihren Puls, befühlte ihre Stirn und beugte
sich über sie, um den Geräuschen aus ihrem Brustkasten zu lauschen.
»Beschleunigter Pulsschlag«, murmelte er, »Fieber und verschleimte Lungen.« Als
er leicht auf ihren Unterleib drückte, stöhnte sie unwillkürlich auf. »Könnte
noch was anderes sein«, meinte er ausweichend.
»Schauen
Sie mal unter ihr Nachthemd, Sir. Der Ausfluss ist eindeutig.«
Sir Marcus
kam der Aufforderung nach und wurde leichenblass. »Wie ist das möglich?«,
wunderte er sich, trat vom Bett der Patientin zurück und winkte die Aufsicht
der Station herbei. »Kindbettfieber ereilt doch nur Frauen, die frisch
entbunden haben.«
»Offenbar
nicht.«
»Allmächtiger!«,
stieß Sir Marcus aus. Vierzig Frauen lagen in diesem Saal. Würden sie sich alle mit dem tödlichen Fieber infizieren? Es musste an der
schlechten Luft liegen. Wenn die Infektion, wie Miss Conroy steif und fest
behauptete, über die Hände der Ärzte verbreitet wurde, wie war es dann zu
dieser Ansteckung hier gekommen? Weder hatte Dr. Soames jemals direkten Kontakt
mit Wöchnerinnen gehabt noch war Dr. Iverson je mit den Patientinnen auf dieser
Seite der Station in Berührung gekommen, schon gar nicht mit Molly Higgins. »Das Miasma muss sich
irgendwie von einer Seite der Abteilung zur anderen verbreitet haben. Wir
müssen unbedingt dafür sorgen, die infizierte Luft von den Patientinnen auf
dieser Seite fernzuhalten.« Die Aufsicht wies er an, Molly Higgins Bett mit chlorgetränkten Tüchern zu verhängen und dafür zu
sorgen, dass alle Fenster geschlossen blieben.
»Beten wir
zu Gott, dass dies nur ein Einzelfall ist«, fügte er hinzu. Sein Mund war mit
einem Mal wie ausgetrocknet.
Hannah
schmiegte sich in Neals Armbeuge, und während sie mit dem Finger über die rot
tätowierten Punkte auf seiner Brust fuhr, lauschte sie wohlig entspannt seinen
zärtlichen Worten. Noch nie war sie so von Liebe erfüllt gewesen, hatte sich
noch nie so lebendig gefühlt, so euphorisch.
Sie hatte
immer wieder davon geträumt, sich aber nie vorstellen können, dass körperliche
Liebe so schön war, so inbrünstig, ein solches Verlangen nach mehr mit sich
brachte. Nackt lag sie unter der Bettdecke, und Neal lag neben ihr, eingehüllt
in das sanfte Licht einer Öllampe. Straßengeräusche stiegen zu ihnen empor, das
Klappern von Pferdehufen durchdrang die Nacht. Aber für Neal und Hannah
existierte die Welt da draußen nicht. Von ihrer gegenseitigen Hingabe, von der
Erfüllung ihrer Sehnsüchte waren sie angenehm erschöpft. Und jetzt, in einer
Atmosphäre, die Hannah als innig empfand, erzählte Neal ihr eine wundersame
Geschichte von einem Aborigine-Mädchen namens Jallara und ihrem Stamm.
»Kaum zu
glauben«, sagte er und strich Hannah über das lange Haar, das ihr über den
Rücken rieselte, »aber für mich sind das die gesündesten und zähesten Menschen
überhaupt. Kaum, dass einer mal krank ist. Ich glaube, das hängt mit ihrem
Nomadenleben zusammen. Sie sind ständig unterwegs, auf der Suche nach
unberührten Gegenden und frischem Wasser.«
Neal hatte
beschlossen, kein Wort darüber zu verlieren, dass Sir
Reginald ihn im Anschluss an
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