World of Warcraft: Jaina Prachtmeer - Gezeiten des Krieges
berührte Baine nicht, aber der Taure konnte dennoch das Feuer des Hasses fühlen, das die paar Zentimeter zwischen ihnen erfüllte. Die Augen des Orcs blitzten, aber ihr eisiger Blick kühlte die Hitze seines Zornes nicht ab, sondern verstärkte sie sogar noch. Ein Schauder des Unbehagens rann durch Baines Körper. Wer war dieser Krieger?
„Malkorok“, zischte Garrosh. „Das reicht.“
Eine gefühlte Ewigkeit blieb der Orc reglos vor ihm stehen. Baine hatte keine große Lust zu einem Kampf – nicht hier, nicht jetzt. Garrosh oder seinen grauhäutigen Krieger anzugreifen, dessen einzige Aufgabe es offenbar war, ihn zu beschützen, das würde den Zorn des jungen Kriegshäuptlings nur weiter schüren, und dann wäre er der Stimme der Vernunft wahrscheinlich gar nicht mehr zugänglich. Schließlich stieß Malkorok den Atem in einem verächtlichen Zischen durch die Nase aus und tat, wie ihm geheißen.
Nun schob sich Garrosh nach vorn und reckte das Gesicht zu dem des Tauren hoch.
„Jetzt ist nicht mehr die Zeit für Frieden! Jetzt ist es Zeit für Krieg – für einen Krieg, der schon längst überfällig ist! Dein eigenes Volk leidet unter der Expansion der Allianz. Ohne provoziert worden zu sein, haben sie sich in eurem Land ausgebreitet. Falls jemand wünschen sollte, dass wir zumindest die Feste Nordwacht zerstören, wenn nicht noch mehr, dann solltet ihr Tauren es sein! Du sagst, Jaina Prachtmeer hat dir einmal geholfen. Heißt das, deine Loyalität gilt ihr und der Allianz, die deine Leute umgebracht hat … oder stehst du noch immer zu mir und der Horde?“
Baine atmete lange und tief ein und ließ die Luft dann durch seine Nüstern wieder entweichen. Anschließend beugte er seinen Kopf vor, sodass ihn nur noch zwei Zentimeter von Garrosh trennten. Er flüsterte so leise, dass nur der Orc es hören konnte: „Hätte ich mich gegen Euch und die Horde gestellt, dann hätte ich das schon lange vor dem heutigen Tage getan, Garrosh Höllschrei. Auch wenn Ihr sonst kein Wort glaubt, das ich sage – das könnt Ihr glauben.“
Einen Herzschlag lang sah es aus, als würde ein beschämter Ausdruck über Garroshs braunes Gesicht huschen, doch dann kehrte die Wildheit in seine Züge zurück, und der Orc wirbelte herum, um sich wieder an die versammelte Menge zu wenden.
„Das ist der Wille eures Kriegshäuptlings“, erklärte er geradeheraus. „Das ist der Plan. Erst die Feste Nordwacht, dann Theramore, und dann vertreiben wir die Nachtelfen und nehmen uns, was ihnen gehört. Was die Bedenken bezüglich der Allianz betrifft“, fuhr er mit einem Seitenblick in Sylvanas’ Richtung fort, „versichere ich euch, dass wir jede ihrer Bemühungen schnell zerschlagen werden. Ich bin für eure Loyalität in dieser Sache dankbar, aber etwas anderes habe ich auch nicht von der großen Horde erwartet. Kehrt nun in eure Städte zurück und bereitet euch vor. Bald schon werdet ihr wieder von mir hören. Für die Horde!“
Der inbrünstige Jubel, der diesen Worten so oft folgte, erfüllte auch in diesem Augenblick die Festung. Baine stimmte in die Rufe mit ein, aber seinem Herzen war nicht nach Triumphgeschrei zumute. Nicht genug damit, dass Garroshs Plan in gefährlichem Maße skrupellos war – was an sich schon ausreichen würde, um ihn zu missbilligen –, nein, er fußte auch noch auf Verrat und Hass. Die Erdenmutter könnte einem solchen Unterfangen nie ihren Segen geben.
Ein letztes Mal schwenkte Garrosh Blutschrei über seinem Kopf, und als der Wind dabei durch die Löcher in der Klinge pfiff, schien die Waffe zu singen. Anschließend senkte der Kriegshäuptling die Axt und verließ den Raum. Der Schwarzfelsorc – Malkorok, so hatte Garrosh ihn genannt – ging unmittelbar hinter ihm, noch vor Etrigg und selbst vor den Kor’kron. Die Orcs, die entlang der Wände der Festung Stellung bezogen hatten, nahmen Haltung an, dann folgten sie ihrem Anführer nach draußen.
Nun begann sich die Menge auch aufzulösen. Als Baine sah, wie sich ein blauhäutiger, rothaariger Trollanführer auf ihn zuschob, verlangsamte er seine Schritte.
„Du hast ihn gereizt“, sagte Vol’jin ohne Umschweife.
„Ja. Das … war nicht klug.“
„Nein, war es nich’. Darum hab ich den Mund gehalt’n. Ich muss an meine Leute denk’n.“
„Ich verstehe.“ Die Trolle lebten nicht weit von Orgrimmar entfernt und würden Garroshs Zorn darum viel unmittelbarer spüren, sollten sie ihn erzürnen. Baine machte Vol’jin keinen Vorwurf.
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