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World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)

World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)

Titel: World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard A. Clarke , Robert A. Knake
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unbrauchbar. An meinem ersten Tag als Student am MIT in den siebziger Jahren erhielt ich einen runden Rechenschieber zur Berechnung der Wirkung von Atombomben. Wenn man an einer Scheibe drehte, stellte man die bei der Explosion freiwerdende Sprengkraft ein, beispielsweise 200 Kilotonnen. Drehte man an einer anderen Scheibe, konnte man einstellen, ob die Bombe in der Luft oder am Boden explodierte. Gab man jetztnoch an, wie weit man im schlimmsten Fall vom Ziel entfernt wäre, zeigte einem das nützliche kleine Instrument, wie groß der Explosionsdruck pro Quadratmeter sein würde. Man wusste sofort, dass selbst ein verstärktes unterirdisches Raketensilo in sich zusammensänke – und dann in kleine radioaktive Staubpartikel zerfiele, die in die Atmosphäre geschleudert würden. Ein Cyberkrieger hat möglicherweise eine ähnliche Gewissheit, dass er ein System, etwa eine Steuerung für Güterzüge, lahmlegen kann, wenn er es mit einer hochentwickelten Cyberwaffe angreift. Er kann jedoch nicht wissen, ob das System nicht über eine zuverlässige Sicherung verfügt, ein Kommando- und Kontrollnetzwerk für den Notfall, das er nicht kennt, weil der Feind es geheim hält und nicht nutzt, bis es gebraucht wird. Ähnlich wie uns ein geheimes Intrusion Prevention System überraschen kann, wenn es in einer Krise plötzlich zum Einsatz kommt, bietet auch ein geheimes System zur Erhaltung der Betriebskontinuität, das das Zielobjekt schnell wieder einsatzfähig macht, einen gewissen Schutz vor einem Cyberangriff.
    Aufgrund der potenziellen Überraschungen in der Abwehr des Gegners unterscheidet sich das Prinzip der Abschreckung in der Theorie des Cyberkriegs grundlegend von der Abschreckung in der Nuklearstrategie. Bei der Nuklearstrategie sprach vieles für eine »Bevorzugung der Offensive«, weil jede Abwehrmaßnahme durch einen Überraschungsangriff zum richtigen Zeitpunkt überwunden werden konnte. Es kostet deutlich weniger, Angriffsraketen an Abwehrmaßnahmen anzupassen, als auch nur einen minimalen Raketenschutz aufzubauen. Was immer man zur Verteidigung unternahm, die Angriffswaffen blieben weiterhin überlegen, ohne dass man dafür großen zusätzlichen Aufwand betreiben musste. Außerdem glaubte niemand, dass die Sowjetunion oder die USA heimlich ein effektives Raketenabwehrsystem entwickeln und installieren könnten. Unter Ronald Reagan wurden Milliarden Dollar für die Forschung ausgegeben, um das Gleichgewicht des Schreckens zugunsten der USA zu verändern undeine strategische Nuklearraketenabwehr zu entwickeln. Jahrzehnte später ist man immer noch nicht viel weiter; heute hofft man in den USA, zumindest einen kleinen, versehentlich gestarteten Raketenangriff oder einen Angriff mit primitiven Raketen, der von einem kleinen Land ausgeht, aufhalten zu können. Aber selbst daran gibt es Zweifel.
    Die Zerstörungskraft der Nuklearwaffen war fester Bestandteil der strategischen Überlegungen zu einem Atomkrieg. Es war allgemein bekannt, dass es keine wirksamen Abwehrmaßnahmen gab. Die Furcht vor einem Angriff hielt die Staaten davon ab, ihre Nuklearwaffen einzusetzen oder andere Staaten so zu provozieren, dass diese mit einem Nuklearschlag reagierten. Die Abschreckung basierte auf ausreichender Gewissheit. Im Falle eines Cyberkriegs ist das Potenzial der Angriffswaffen weitgehend geheim; der Aufbau funktionierender Abwehrmaßnahmen ist möglich, sie könnten sogar angewandt werden, ohne dass der Angreifer damit gerechnet hat, daher ist es unwahrscheinlich, dass ein Land heute davor zurückschreckt, seine Cyberwaffen in einer Krise einzusetzen, und auch die Möglichkeit eines Gegenschlag mit Cyberwaffen bringt ein Land nicht von seinem politischen Kurs ab.
    Nehmen wir um der Diskussion willen an, dass Amerika (oder ein anderes Land) über offensive Cyberwaffen verfügt, die jede Abwehr überwinden und dem Militär und der Wirtschaft eines Landes ernsthaften Schaden zufügen können. Wenn die USA einfach verkündeten, dass sie dazu in der Lage wären, aber keine Details preisgäben, würden viele Länder das für einen Bluff halten. Ohne Einzelheiten, ohne die amerikanischen Cyberwaffen in Aktion zu sehen, würde sich kaum ein Staat vor dem fürchten, was die USA ihm antun könnten, und sich daher auch nicht abschrecken lassen.
    Die USA könnten theoretisch nach einer Möglichkeit suchen, einen Staat, der sich schlecht benimmt, mit einem Cyberangriff zu bestrafen, nur um ihre Möglichkeiten zu demonstrieren. (Die USA

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