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Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik

Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik

Titel: Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brockhaus
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seiner Gläubiger wegen zeitweise untertauchen. Diesen beachtlichen finanziellen Niedergang konnte auch die ansehnliche Mitgift nicht verhindern, die Defoes Ehefrau Mary Tuffley in die 1684 geschlossene Ehe eingebracht hatte. Aus dieser lebenslangen Verbindung sollten insgesamt acht Kinder hervorgehen, von denen sechs das Erwachsenenalter erreichten.
    DER PAMPHLETIST
    Ein beschauliches Familienleben war mit Defoe allerdings kaum zustande zu bringen. Sein wirtschaftlich ruinöses Geschäftsgebaren, aber auch sein politisch allseits aneckendes Wesen weisen vielmehr auf einen Charakter hin, dem wohl nicht zu Unrecht selbstzerstörerische Züge unterstellt wurden. Defoes Leben glich einer fortlaufenden, nicht jederzeit geglückten Gratwanderung. Während der Regierungszeit Wilhelms III. von Oranien wirkte er als Publizist für den in England wenig beliebten Niederländer. Dass Wilhelm und sein verhasster, vornehmlich aus Landsleuten zusammengestellter Beraterstab zur Zielscheibe fremdenfeindlicher Stimmungen wurden, empfand Defoe als Zeichen der Undankbarkeit gegenüber einem von ihm hoch geschätzten König, mit dem er nach eigener Aussage freundschaftliche Beziehungen unterhielt. Mit drei Pamphleten unterstützte er Wilhelms heftig kritisierte Forderung nach einer professionellen Armee, die auch in Friedenszeiten vorgehalten werden sollte, und verspottete in seiner populären politischen Versdichtung »Der waschechte Engländer« aus dem Jahre 1701 die Vorstellung eines reinrassigen englischen Volkes.
    GEFÄNGNIS UND PRANGER
    Die englischen Gefängnisse der Zeit, in denen Daniel Defoe mit ihnen Bekanntschaft machte, wurden vornehmlich genutzt, um Angeklagte vor und während ihres Prozesses sowie Verurteilte, die ihre Bestrafung erwarteten, aufzunehmen. Das Londoner Staatsgefängnis Newgate (auch Old Bailey), wo Defoe einsaß, zählte zu den berüchtigtsten dieser Adressen.
    Gefängnisstrafen als solche wurden damals nur sehr selten, meist in Verbindung mit einer anderen Strafe wie dem Pranger, ausgesprochen. Meist wurde er in belebten Straßen oder auf großen öffentlichen Plätzen errichtet. Hier wurde der Verurteilte auf einer sich drehenden Plattform der Öffentlichkeit präsentiert, Arme und Kopf waren durch Löcher in einer Holzkonstruktion gesteckt. In der Regel musste der Delinquent eine Stunde in dieser Position verweilen.
    In dieser Zeit hatte das Volk Gelegenheit, den Täter mit faulen Eiern, Exkrementen oder gar Steinen zu bewerfen und so seine Verachtung des Täters auszudrücken.
    Mit dem Tod Wilhelms sank Defoes Stern jedoch; er geriet erneut in beträchtliche finanzielle Nöte, die aber nur einen kleinen Teil seiner Sorgen ausgemacht haben dürften. Nach Jahren der Konsolidierung veröffentlichte er 1702 nämlich ein anonymes Pamphlet, in dem er scheinbar für die rücksichtslose Ausrottung der Dissenters eintrat. Seine wenig hintergründige Ironie wurde allerdings nicht verstanden. Über das gesamte protestantische Glaubenspektrum hinweg war die Empörung entsprechend groß; die Vertreter der anglikanischen Staatskirche fühlten sich nicht zu Unrecht bloßgestellt und die Dissenters vermuteten einen Frontwechsel des als Verfasser ausgemachten Defoe. Nach monatelanger Flucht landete er im berüchtigten Londoner Gefängnis Newgate, wurde an den Pranger gestellt und schlitterte in seinen zweiten Bankrott, da er sich nur unzureichend um seine zwischenzeitlich gegründete und bis dahin florierende Manufaktur für Ziegelsteine kümmern konnte.
    Seine Freilassung aus dem Gefängnis verdankte Defoe im Wesentlichen dem Politiker Robert Harley, Earl of Oxford, der unter Königin Anna 1704 zum führenden Minister aufrückte. Nachdem sich Defoe in den Jahren zuvor durch etliche Pamphlete, in denen er die Macht des Volkes gegen Regierung und Parlament herausgestrichen hatte, den Ruf eines Volkstribuns erworben hatte, begab er sich nun in die für ihn auch finanziell reizvollen Dienste der neuen Regierung – als Berater, Publizist und Spion. In einem Memorandum empfahl er Harley, seine staatsmännische Popularität im Volk zu steigern, und setzte sich nachdrücklich für den Aufbau eines engmaschigen Agentennetzes ein, das der Regierung ausführliche Informationen über andere Staaten, aber auch über alle Landesteile und gesellschaftlichen Gruppen der britischen Inseln selbst verschaffen könnte. In der Folgezeit verfasste er beinahe im Alleingang eine zunächst einmal, später dreimal wöchentlich erscheinende

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