Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
seltsame Reise zu geben. Ich selber habe seit meiner Krankheit [die er fünf Monate lang in Mainz kurierte] die Einsicht in ihre Motive verloren und begreife nicht mehr, wie gewisse Dinge auf andere erfolgen konnten.«
Die folgenden Berliner Jahre 1804/05 sind von einer tiefen, geradezu homoerotisch anmutenden Freundschaft zwischen Kleist und Ernst von Pfuel durchzogen, der ihn bereits nach Paris begleitet hatte. Von Berlin aus ging es weiter nach Königsberg, wo der Dichter eine staatliche Anstellung erhielt und nebenher Staatswissenschaft und Nationalökonomie studieren wollte; außerdem hatte ihm Königin Luise ein kleines Künstlersalär ausgesetzt. Kleist begann mit seiner komödiantischen Fassung des antiken und auch von Molière bearbeiteten Amphitryon-Stoffes und mit dem ersten Entwurf der Tragödie »Penthesilea«, einer erotisch-gewalttätigen Geschichte um die Amazonenkönigin, die den Klassiker Goethe erschreckte und zu der Äußerung veranlasste: »Der gegenwärtige Dichter Kleist geht auf Gefühlsverwirrung aus.«
›Ein frei denkender Mensch bleibt nicht da stehen, wo der Zufall ihn hinstößt.‹
Heinrich von Kleist
In Königsberg schied Kleist wieder einmal aus dem Staatsdienst aus. Zu Fuß wanderte er 1807 mit dem Freund Pfuel und zwei Kameraden nach Westen, ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als das geschlagene preußische Heer vor der napoleonischen Armee in der Gegenrichtung zurückströmte. Die nachrückenden Franzosen verhafteten den Dichter wegen Spionageverdachts und brachten ihn nach Châlons-sur-Marne, wo er monatelang in Haft blieb.
HASS GEGEN NAPOLEON
Von allen seinen Stücken wurde zu Lebzeiten Kleists nur der »Zerbrochene Krug« aufgeführt, und zwar von Goethe in Weimar, 1807. Die Komödie fiel durch, und es kam zum Skandal, weil Herzog Carl August über das johlende und pfeifende Publikum entrüstet war. Eine Hauptursache für den Misserfolg war vermutlich die Entscheidung Goethes, zwei Pausen einzuschalten, die den Handlungsablauf völlig störten. Kleist war empört, er soll sogar an eine Duell-Forderung gedacht haben – und das gerade zu dem Zeitpunkt, als er Goethe zur Mitarbeit an der von ihm zusammen mit Adam Müller gegründeten Zeitschrift »Phöbus« gewinnen wollte. Das Blatt hatte nach diesem Vorfall keine Chance mehr. Kleist konnte in ihm lediglich Auszüge aus dem 1808 beendeten Schauspiel »Das Käthchen von Heilbronn«, das zu einem wahren Volksschauspiel wurde, sowie aus seiner Novelle »Die Marquise von O. …« veröffentlichen.
»PRINZ FRIEDRICH VON HOMBURG«
Eines der wichtigsten Werke Heinrich von Kleists, das Schauspiel »Prinz Friedrich von Homburg«, wurde erst nach seinem Tod im Jahr 1821 gedruckt – zehn Jahre zuvor hatte Kleists Cousine Marie das Manuskript der Prinzessin Marianne von Hessen-Homburg überreicht, doch die erhoffte Anerkennung blieb aus, ebenso wie eine finanzielle Unterstützung, die Kleist dringend nötig gehabt hätte.
Das Schauspiel greift auf einen Legendenstoff zur Schlacht von Fehrbellin im Jahr 1657 zurück und behandelt den Widerspruch zwischen Subordination und Staatsräson und dem Handeln aus »reinem Gefühl« im preußischen Staat. Die Sympathie des Autors gehört dabei dem genialen Einzelnen, dem Prinzen von Homburg, der sich dem Kurfürsten entgegenstellt.
Im Hochgefühl eines Traumerlebnisses missachtet der Prinz von Homburg den ausdrücklichen Befehl des Kurfürsten, nicht in die Schlacht gegen die Schweden einzugreifen. Gleichwohl geht er siegreich daraus hervor. Doch der Kurfürst besteht darauf, »dass dem Gesetz Gehorsam sei«, und spricht im Namen des Kriegsrechts das Todesurteil über den Prinzen.
Nicht des Prinzen Flehen um Gnade, sondern seine innere Wandlung, die Anerkennung des Urteils als rechtmäßig, löst auch beim Kurfürsten eine Läuterung aus und führt so zur Begnadigung des Prinzen.
1809, nach der Schlacht bei Aspern, feierte Kleist, immer fanatischer gegen Napoleon eingestellt, den Sieger über den Korsen, Erzherzog Karl, in einem Gedicht. Er besuchte das Schlachtfeld – und wurde von den Österreichern als vermeintlicher französischer Spion verhaftet. Dieser Irrtum klärte sich jedoch bald auf. Kleist, inzwischen in Prag angekommen, veröffentlichte Hetzgedichte wie »Germania an ihre Kinder« oder das »Kriegslied der Deutschen«. Die Niederlage Österreichs zerstörte freilich alle seine gegen Frankreich gerichteten Hoffnungen. Er schrieb das lyrisch beeindruckende »Letzte Lied« und
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