Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
durch die enge Freundschaft mit der in unglücklicher Ehe lebenden Jeanette Dieterich, der Frau eines Göttinger Verlegers, die seine musischen Neigungen förderte. Eine andere wichtige Bekanntschaft war die mit Johann Ludwig Tieck, der unter anderem Volksmärchen bearbeitete und herausgab. Tiecks Vorliebe für das Grausam-Widersprüchliche, das Unbegreifbare und Unheimliche im Leben, dürfte Arnim darin bestärkt haben, sein besonderes Interesse an solchen Ereignissen und Vorgängen in sich nicht länger zu unterdrücken. Noch hatte Kunst für ihn etwas von einer »verführerischen, verbotenen Frucht«, die, wie er meinte, den Menschen für die tätige, lebendige Welt unwiederbringlich verloren sein ließe. Dies führte ihn immer tiefer in einen Konflikt: Einerseits hatte er seinen Lebensplan, »alles Gute und Ehrenvolle, was sich in den adligen Häusern … entwickelt hat, allgemein zu machen, alle Welt zu adeln«, andererseits verspürte er aber auch das Verlangen, von der Brüchigkeit der Welt zu erzählen, vom Unheimlichen, von dem, was aus den Abgründen aufbrodelt. Diese Spannung sollte für die Thematik seines eigenen literarischen Schaffens kennzeichnend bleiben. Das große Thema dieser Generation, angeschlagen auch in Friedrich Schlegels Roman »Lucinde« (1798), war die Auflehnung gegen die sinnentleerten Normen der Konvention. Die Liebe allein, verkündet Schlegels Roman im Widerspruch zur Adels- und Bürgermoral, sei in der Lage, den Menschen aus Barbarei und Widernatürlichkeit zu retten. Damit wurde die scheinbar private Botschaft des Romans zur subversiven Gesellschaftskritik. Die erste größere Prosaarbeit des jungen von Arnim, der sich nach dem Abschluss seiner Göttinger Studienzeit im Herbst 1801 nicht mehr Louis, sondern Achim nannte, zeigt, dass mit der Thematik der »Lucinde« auch ihn beschäftigende Lebensprobleme angesprochen wurden. In seinem Roman »Hollins Liebesleben« (1802) zerbrechen Heldin und Held, weil sie sich über die bürgerlichen Konventionen mit einem außerehelichen Liebesverhältnis hinwegsetzen. In Göttingen schloss von Arnim die für sein Leben und seine künstlerische Entwicklung folgenreichste Freundschaft: Er begegnete Clemens von Brentano. Dieser erzählte Achim von Arnim schwärmerisch von seinen hübschen Schwestern Kunigunde, »Gunda«, und Elisabeth, »Bettina«, die in Offenbach und Frankfurt lebten. Bettina sähe er am liebsten in Achim verliebt, mit ihm verlobt und bald verheiratet.
CLEMENS BRENTANO
(* 1778, † 1842)
Brentano hatte eine unruhige und in der Trauer um die früh verstorbene Mutter leidvolle Jugend. Aus großbürgerlicher Familie stammend, begann er früh zu dichten, schnupperte in den Kaufmannsberuf hinein und versuchte sich danach im Studium des Bergbaus. In Göttingen hörte Brentano Philosophievorlesungen, schrieb und umwarb die Schriftstellerin und Professorengattin Sophie Mereau, die, als sie von ihm schwanger wurde, nach der Scheidung ihrer ersten Ehe, 1804 in eine Eheschließung mit Brentano einwilligte.
In Göttingen lernte er auch von Arnim kennen, der 1811 seine Schwester Bettina heiratete. Mit von Arnim arbeitete Brentano vor allem an der Sammlung »Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder«, die sie in den Jahren von 1805 bis 1808 herausgaben. 1809 wurde er mit Arnim Mitglied der »Christlich-Teutschen Tischgesellschaft«.
In seiner Schaffenskrise, in der er sich ab 1811 befand, verlor Brentano sein Vertrauen in das poetische Wort. Danach entstanden vor allem religiöse Lieder und Liebesgedichte.
DES KNABEN WUNDERHORN
Nach der Kavalierstour durch Europa begann für Achim von Arnim ein Zeitabschnitt, in dem, in Zusammenarbeit mit Clemens Brentano, die für die deutsche Literatur exemplarische Sammlung von Volkspoesie »Des Knaben Wunderhorn« entstand, in der es aber auch zu einer immer intensiveren Annäherung zwischen ihm und Bettina Brentano kam. Der erste Band der Volksliedersammlung erschien zur Michaelismesse im Jahr 1805. Bei einem Besuch von Arnims in Weimar bei Goethe äußerte der Dichterfürst gedämpftes Lob. Während die poetische Bedeutung der Liedersammlung, die, wie die »Kinder- und Hausmärchen« der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm, die Volksdichtung aufwertet, auf der Hand liegt, ist ihre indirekte politische Wirkung dagegen selten beachtet worden. Diese zeigt sich unter anderem in einer Äußerung des preußischen Reformers Freiherr vom Stein, der schrieb: »In Heidelberg [mit der Sammlung der
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